Robert Kraft: Das zweite Gesicht oder Die Verfolgung rund um die Erde 3 (Buch)

Robert Kraft
Das zweite Gesicht oder Die Verfolgung rund um die Erde 3
Kapitel 59 bis 83
Titelbild: Georg Herrting
Verlag Dieter von Reeken, 2022, Hardcover, 466 Seiten, 30,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Weiter geht es mit dem dritten von vier Bänden des Kolportageromans „Das zweite Gesicht oder die Verfolgung rund um die Erde“. 1913 in 46 Lieferungen erstveröffentlicht, erwartet den Leser ein typischer Robert Kraft.


Wir erinnern uns: Zum Abschluss des letzten Bandes strandete unser Erzähler in Indien. An Bord einer Riesengranate, einer phantastischen Mischung aus Panzer und luxuriösem Fahrzeug, sind der Prinz und die Femme fatale unterwegs in Richtung Himalaja. In Nepal, so haben sie mit dem Maharadscha vereinbart, wird diesem der revolutionäre Bewegungsapparat übergeben und gegen eine mysteriöse schwarze Kiste eingetauscht.

Schon auf dem Weg nach Tibet plant der Maharadscha Prinz Joachim zu hintergehen. Dass ein alter Widersacher des Prinzen auch seinen Weg ins tibetanische Hochland gefunden hat, erweist sich in der Zukunft noch als schicksalsträchtig.

Später geht es dann, die Handlung in Tibet bricht recht abrupt ab, in die Tiefe. Weit unter dem majestätischen Gebirge verlaufen Wasserstraßen, auf die unser Erzähler entsandt wird. Hier begegnet er uralten Relikten, Heimsuchungen und phantastischen Geistwesen…


Robert Kraft war bekannt dafür, faszinierend und packend fremde Landschaften zu beschreiben und die Exotik abgelegener Orte und andere Kulturen - und fiese Gegner seinen Helden als Prüfung aufzuerlegen. Insoweit erwartet uns in diesem dritten Band des Kolportageromans ein gewohntes Bild. Bösewichte stellen unserem Helden nach, Mystik hält Einzug, es gilt Heldentaten zu vollbringen, dem Bösen entgegenzutreten und sich für Gerechtigkeit einzusetzen.

Dies liest sich wie eine Aneinanderreihung unglaublicher Handlungsschemata, die unseren Erzähler immer von Neuem vor und überwindbar scheinenden Aufgaben stellt. Oftmals wechselt Kraft den Handlungsort und den Plot unerwartet, lässt gerne einmal ein Settling in der Luft hängen und wendet sich lieber einem neuen Motiv zu. Vieles bleibt dann offen, zu sehr reißt den Autor seine neue, aktuelle Idee mit, die uns zu neuen Ufern führt.

Natürlich ist das triumphale Ende immer vorhersehbar, allerdings gelingt es Kraft ein ums andere Mal uns Leser in seine Handlung zu ziehen. Die farbenprächtig beschriebenen Handlungsorte, die fremden Kulturen und die gefährlichen Situationen bannen den Leser auch heute, weit über 100 Jahre nach dem Zeitpunkt an dem Kraft seinen Roman verfasste, an die Seiten.

Dass Kraft hierbei - der Zeit geschuldet - mit Ressentiments, Vorurteilen und Besserwissertum um sich wirft, muss man hinnehmen, ist schlicht ein Zeitzeugnis. Wenn er gegen Sinti und Roma hetzt, wenn er über Juden herzieht, Farbige als Menschen zweiter Klasse darstellt, dann wäre dies heute undenkbar, gehörte damals aber „zum guten Ton“. Hier in den Text einzugreifen ist schlichtweg unmöglich, wäre auch nicht werksgemäß - wer sich also an derartigen Darstellungen stört, dem sei die Lektüre abgeraten.

Auch die oft seitenlangen Ausführungen zu Geographie, Völkerkunde oder Physik muss man, obwohl oftmals inhaltlich überholt, über sich ergehen lassen. Hier sorgte der Bildungsauftrag, den auch und gerade die Volksschriftsteller für sich reklamierten, für die Motivation, den zumeist jugendlichen oder bildungsfernen Lesern entsprechende Informationen mit an die Hand zu geben.

Dennoch, das Buch liest sich auch heute noch durchaus spannend, flüssig und interessant. Über die angesprochenen Passagen mag man hinweglesen oder sie überblättern - dann taucht man ein in eine Zeit, in der noch viele Flecken unserer Erde Terra incognita waren, in der wackere Helden auszogen, das Unbekannte zu erforschen und sich den Bösen in den Weg zu stellen.