Mercedes Helnwein: (Not so) Amazing Grace (Buch)

Mercedes Helnwein
(Not so) Amazing Grace
(Slingshot 2020)
Übersetzung: Rita Gravert
Moon Notes, 2022, Paperback, 368 Seiten, 15,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Die Community Moon Notes hat sich auf die Fahne geschrieben, etwas andere Geschichten für Jugendliche zu veröffentlichen: Romane und Kurzgeschichten, in denen queere Themen Eingang finden und auch das große Thema erste Liebe nicht immer so verläuft, wie man es in Büchern erwartet, im Leben aber immer wieder findet. Das ist auch in Mercedes Helnweins Buch „(Not so) Amazing Grace“ der Fall.

 

Grace Welles hasst es in diesem abgeschiedenen Privatinternat festzusitzen, das nach außen hin so toll zu sein scheint, aber auch nur den üblichen Mief ausstrahlt und dessen Verwaltung vor allem aufs Geld schielt. Bisher hat sie es jedenfalls immer geschafft, irgendwie ihren eigenen Weg zu gehen und sich niemandem anzubiedern, nur um „dazuzugehören“.

Auch Jungs waren nicht das Thema, bis sie sich in ihren Biologielehrer verliebt und die Hormone auch nach dessen Abfuhr nicht zur Ruhe kommen. In ihrem sechzehnten Lebensjahr spielen ihre Gefühle verrückt, vor allem als dann auch noch ein Junge in ihr Leben tritt, der wie gemacht für sie zu sein scheint.


Das Ganze klingt zunächst einmal wie eine der typischen Teenager-Romanzen, in denen alles seinen glatten Lauf nimmt und das Happy End vorprogrammiert zu sein scheint. Aber die Autorin schafft es schon auf den ersten Seiten, einen anderen Eindruck zu erzeugen.

Grace ist durchaus ein Teenager mit all den emotionalen Wechselbädern, die in dieser Phase einfach dazu gehören. Aber sie lässt sich auch nicht in eine Schublade schieben, ist in vielen Dingen unangepasst und eigen, rebellisch und durch ihr Elternhaus erwachsener als so mancher andere in ihrem direkten Umfeld.

Sie kann sich die meiste Zeit mit ihrem Anderssein arrangieren und fühlt sich sogar wohl damit, aber sie hat auch Momente der Schwäche - wie sich in der Phase mit ihrem Lehrer zeigt. Die Autorin sieht sehr genau hin, schildert ein Verhalten, wie es viele Teenager auch kennen dürften, ebenso wie die späteren Entscheidungen, die sie zwar Wade nahe bringen, dann aber auch wieder trennen.

Und es zeigt sich sehr schön, dass zu einer Beziehung auch immer zwei gehören, wenn sie Bestand haben soll. Das lernt Grace in diesem Jahr, aus dem sie gereifter hervorgeht, wenn auch nicht mit dem romantischen Glück. Denn letztendlich sind andere Dinge wichtiger, und die findet sie tatsächlich zum Ende des Jahres hin.

Auch wenn Manches in dem Internat auf den ersten Blick übertrieben klingt, so dürfte es durchaus realistische Grundlagen haben, ebenso wie die Lehrer gewissen Klischees entsprechen und manche der Mitschüler. Aber auch die haben oft genug reale Vorbilder, und das macht es leichter, sich in das Szenario einzufühlen und ganz auf das wichtige Thema zu konzentrieren, nämlich neben der ganzen Verliebtheit und dem Chaos im Kopf trotzdem einen Weg zu finden, mit dem man zufrieden sein kann, und das muss nicht an der Seite eines Freundes sein.

„(Not so) Amazing Grace“ ist ein Roman, der das Thema „Erste Liebe“ einmal so richtig gegen den Strick bürstet und vor allem Teenager ansprechen dürfte, die ähnliches Chaos bei sich selbst oder in ihrem Umfeld erleben. Denn Beziehungen sind komplex, manchmal nervig und vor allem gehören immer zwei dazu.