Anais Richard: Der Zwang der Unterwerfung (Buch)

Anais Richard
Der Zwang der Unterwerfung
Blue Panther Books, 2022, Taschenbuch, 188 Seiten, 12,90 EUR

Rezension von Irene Salzmann

Unter dem Namen Anais Richard (die Vornamen der Eltern?) schreibt eine deutsch-französische Autorin, die nach eigenen Angaben ihr Studium in Berlin (daher Kenntnisse zur Location) via Escortservice finanzierte und fiktive Geschichten mit persönlichen Erfahrungen verbindet. „Der Zwang der Unterwerfung“ ist ihr erstes Buch bei Blue Panther Books.


Luna, wie sich die Protagonistin nennen lässt, wächst in gutbürgerlichen, katholisch-konservativen Verhältnissen auf. Als sie mit 14 in die Pubertät eintritt, erwachen ihre sexuellen Bedürfnisse, die sie durch gezieltes Provozieren von Jungen und Männern, dem Schauen von Online-Pornos, Selbstbefriedigung und harten Petting-Erfahrungen zu befriedigen versucht. Doch auch der erste feste Freund, dem sie ihre Jungfräulichkeit schenkt, kann ihr nicht geben, was sie braucht.

Der Umzug nach Berlin, wo Luna ihr Studium beginnen will, ist wie eine Befreiung. Den Eltern sei Dank ist für die Unterbringung gesorgt, und ein freundlicher, attraktiver Bekannter des Vaters, Paul, soll ihr in der Anfangszeit zur Seite stehen. Ihm vertraut sie sich schon sehr bald an, weil sie einfach nicht mit ihren Sehnsüchten, die im Widerstreit mit der anerzogenen Prüderie liegen, klarkommt - und sie ist tatsächlich an der richtigen Stelle.

Paul gehört zu einer Gruppe Personen, die hemmungslos ihre speziellen Neigungen auslebt. Er bietet ihr an, sie zu ‚erziehen‘, wobei sie jederzeit aus diesem Verhältnis aussteigen kann, falls es ihr zu heftig wird, beziehungsweise wird er es beenden, wenn sie seine Befehle infragestellt oder ungehorsam ist. Luna ahnt, dass nicht leicht sein wird, was auf sie zukommt, aber gleichzeitig spürt sie, dass es genau das sein könnte, wonach sie sucht.

Sogleich beginnt Paul mit der Erziehung. Bis auf einige Kleidungsstücke für die Uni tauscht er all ihre Habe aus und lässt sie ihren Mut und Gehorsam beweisen: Luna muss sich piercen lassen, sich Passanten in ‚nuttiger‘ Kleidung ohne etwas darunter präsentieren und sogar ihre Nacktheit zeigen, was ihr von Mal zu Mal leichter fällt, doch die Belohnung, mit ihr zu schlafen, verschiebt er.

Schließlich lädt Paul Luna zu einem Abendessen mit seiner Frau und Freunden ein, bei dem die letzten Zweifel beseitigt werden, welchen Vergnügungen ihr Erzieher und seine Gesinnungsgenossen frönen. Weitere Einladungen folgen. Schnell erkennt sie, dass sie nicht, wie anfangs vermutet, auf Paul fixiert, sondern auf immer neue, härtere Situationen scharf, ja, danach süchtig ist, denn selbst das bisher Erlebte hat, zur Freude der Mitspieler, Lunas Grenzen noch längst nicht angetastet.


Ob die Protagonistin in Hinblick auf ihre Bekenntnisse eine ‚typische‘ moderne Jugendliche und ihr Verhalten (mittlerweile in der Spaßgesellschaft) üblich ist, sei dahingestellt; es wird schließlich viel geprahlt, doch auch allerlei getan, vor allem in entsprechenden Kreisen, um ‚dazuzugehören‘. Nach der anfänglich langwierigen/langweiligen Einleitung geht es los mit den kleinen ‚Jugendsünden‘, die auf das Kommende einstimmen - und Luna ist nun 19.

Zu Lunas Erziehung gehören absoluter Gehorsam, Erniedrigung und Praktiken, die sich immer weiter vom Vanilla-Sex entfernen. Was erstaunt, ist die Kaltschnäuzigkeit von ihr und Paul, wenn sie sich auf Befehl in der Öffentlichkeit zur Schau stellen und sexuelle Handlungen an sich vornehmen muss, wissentlich vor Beobachtern. Dass für viele ein besonderer Thrill im Quickie an einsehbaren Orten liegt, ist nichts Neues - doch hier wird nicht einmal Rücksicht auf Kinder genommen, die Zeuge werden könnten. Auch das Schockieren der jungen Frauen vom Catering mit nackten Tatsachen wird als Riesenspaß erachtet.

Das und vieles anderes lässt die Charaktere, die ihren Trieben genausogut in abgeschlossenen Räumen nachgehen könnten, ohne andere zu belästigen, sehr empathielos wirken. Sie besitzen die geeigneten Örtlichkeiten, haben entsprechende Positionen mit Beziehungen inne, Geld und Einfluss, was ihnen erlaubt, nahezu alles zu tun, was ihnen beliebt, ohne dass sie nennenswerte Konsequenzen fürchten müssen. Verständnis haben sie bloß für die Wünsche und Nöte von ihresgleichen. Unbeteiligte Beobachter sind Mittel zum Zweck und werden ohne Einwilligung ob ihrer Reaktion zum Aufgeilen benutzt, wohingegen die Subs ihre Rolle kennen und die demütigenden Spiele auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind (wie zum Beispiel bei dem Herrenabend, den Patricia ausrichtet).

Was den Leser erwartet, steigert sich zügig von Exhibitionismus, über Gangbang mit verschiedenen Geschlechtern, dem Einsatz von Sex-Toys und Bondage, Pet-Play und Erniedrigung sowie Natursekt. Mit diesen harten Praktiken überschreitet die Autorin zweifellos die Grenzen von so manchem Leser, der hier von Dingen liest, die er lieber gar nicht und schon gar nicht so detailliert wissen will.

Die Geschichte endet dann recht abrupt, schließt jedoch den Kreis zur Einleitung in Form einiger letzter Worte, mit denen Luna beziehungsweise die Autorin ihre Bedürfnisse als individuell und für sich überaus befriedigend verteidigt.

„Der Zwang der Unterwerfung“ ist lebendig erzählt und entführt in die abgeschlossene Welt eines exklusiven Zirkels, dessen Mitglieder ihre Phantasien ohne Tabus ausleben. Dass Außenstehende/Minderjährige wider Willen einbezogen werden, (Geschlechts-) Krankheiten weitergegeben werden können und einige der Mitspieler unter Umständen in eine Spirale geraten, die sie immer heftigere und sogar gefährliche Spiele verlangen lässt, ist kein großes Thema in einem Buch, das lediglich unterhalten, aufgeilen, schocken oder was auch immer will.

Es empfiehlt sich, in diesem Band ein wenig zu blättern, vor allem durch die späteren Seiten, um festzustellen, ob man sich mit dem Inhalt anfreunden kann. Für ein erwachsenes Hardcore-Publikum, das wie die Protagonistin immer neue Extreme kennenlernen will, sicher interessant; wer mit einigen dieser Praktiken nichts anfangen kann, dürfte im umfangreichen Programm von Blue Panther Books gewiss Titel entdecken, die ihm weit besser gefallen.