Christiane Fux: In stiller Wut (Buch)

Christiane Fux
In stiller Wut
Theo Matthies 2
Piper, 2013, Taschenbuch, 304 Seiten, 9,99 EUR

Rezension von Elmar Huber

„Ein Klick auf die Tastatur, und die digitale Aufzeichnung startete. Es war die letzte und inzwischen mehrere Tage alt. Im grünlichen Schimmern des Zwielichtes hockte der Verurteilte an eine Wand gepresst. Die Kamera zoomte sich an sein Gesicht heran. Von den Mundwinkeln schäumte der Speichel. Er hatte etwas von einem verängstigten Tier. Er war ein verängstigtes Tier."

Der ehemalige Mediziner und jetzige Bestatter Theo Matthies staunt nicht schlecht, als er seinen alten Schulkameraden Reinhold Lehmann auf dem Tisch hat. Völlig heruntergekommen und an Tollwut gestorben, einer Krankheit, die in Deutschland als ausgerottet gilt. Offenbar wurde Lehmann durch einen Fledermausbiss in den Hals infiziert.

Kurz darauf stirbt ein weiterer von Theos Klassenkameraden auf die gleiche Art. Der zweite eines Trios, das früher liebend gern seine Mitschüler gehänselt und übel gemobbt hat. Rächt sich hier eines der früheren Opfer? Die Dritte im Bunde ist Nathalie Stüven, inzwischen Hamburger Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt.

Gemeinsam mit zwei weiteren Mitschülern, seinem Kumpel Lars Hansen und Hadice Öztürk, inzwischen Kommissarin bei der Hamburger Mordkommission, verfolgt Theo den Fall. Ein Klassentreffen scheint die ideale Gelegenheit, sich alle Verdächtigen anzusehen.

„Sie kratzte sich. Dabei berührten ihre Fingerspitzen zwei kleine Verletzungen, auf denen sich bereits Wundschorf gebildet hatte. Tollwut! Das Wort leuchtete vor ihren Augen auf, rote Lettern auf schwarzem Grund. Das Entsetzen schlug seine Krallen in sie. Herz und Gedärm krampften sich zusammen. Sie krümmte sich und rollte sich in embryonaler Stellung auf dem Lager zusammen. In ihrem Blut kreisten zweifellos die tödlichen Viren."


Nach „Das letzte Geleit“ gestaltet Autorin Christiane Fux den zweiten Fall für ihren ‚Helden‘, den sympathischen Bestatter Theo Matthies, um einiges persönlicher. Ein ehemaliger Schulkamerad liegt auf seiner Bahre, kurz darauf wird ein weiterer Mitschüler auf die gleiche Art ermordet. Als wäre dies nicht ungewöhnlich genug, handelt es sich bei der Todesursache um eine Krankheit, deren Erreger in Deutschland nur noch in den Tresoren einiger Forschungsinstitute lagern sollten.

Zwei Spuren also, die es für Theo und seine Freunde Hadice und Lars zu verfolgen gilt. Schnell ist man sich einig, dass der Täter im früheren Opferkreis des Schreckenstriumvirats zu suchen ist. Es muss ermittelt werden, welcher der ehemaligen Mitschüler Zugang zu Tollwut-Erregern hat. Gleichzeitig ist es notwendig, das potentielle Todesopfer Nummer drei zu schützen, die heute eine Größe der lokalen Politik ist und damit im öffentlichen Rampenlicht steht.

Geschickt hält Christiane Fux mit dieser Situation gleich ein paar Ansatzpunkte für die Ermittlungen der Freunde bereit. Über den unwahrscheinlichen Zufall, dass eine der Hauptfiguren inzwischen Kommissarin ist, und damit ganz offiziell ermitteln darf, kann man wohlwollend hinwegsehen, denn das Ganze ist auf Seiten der ‚Guten‘ so humorvoll, sympathisch und lebensnah aufgezogen, dass es einfach nur Spaß macht, die Ermittlungen zu verfolgen. Da fällt auch nicht weiter ins Gewicht, dass die späte Rache an Schulmobbern schon des Öfteren in einem Krimi thematisiert wurde. Zusätzlich schafft die Autorin mit den Rückblenden zur Quelle der gegenwärtigen Ereignisse ein tragisches Gegengewicht, das den Roman wunderbar in der Waage hält.

Wenn schon der Krimi-Fall an sich das Rad nicht neu erfindet, so gefällt doch der Stil der Autorin, die ein angenehmes Tempo vorlegt und außerdem ein wohltuendes Gleichgewicht zwischen Fall und Figuren zu halten vermag.

Der zweite „Theo Matthies“-Roman bietet mit seiner ausgewogenen Mischung aus klassischer Spurenverfolgung und unkonventioneller Querdenkerei, Humor und Tragik ein ansprechendes, rundes Paket. Ohne das Buch damit abwerten zu wollen - eher im Gegenteil -, kann man sich die Fälle sehr gut als Krimi-Reihe im TV vorstellen.