Mark Stay: Rabenzauber - Die Hexen von Woodville 1 (Buch)

Mark Stay
Rabenzauber
Die Hexen von Woodville 1
(The Crow Folk, 2021)
Übersetzung: Sabine Thiele
Heyne, 2022, Taschenbuch, 382 Seiten, 12,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Wir schreiben den Juni 1940. Auch ein kleines, abgeschieden gelegenes Dörfchen in Kent kann sich dem Weltgeschehen nicht verschließen. Die jungen Männer wurden zum Kampf an der Front eingezogen, die Zurückgebliebenen haben sich in Bürgerwehren, den Local Defence Volunteers, organisiert. Nachts sorgt die Luftschutz-Patrouille dafür, dass die Verdunklungsvorschrift auch befolgt wird.

Faye Bright wächst hier im Haus ihres Vaters, geschickterweise dem Dorf-Pub, auf. Ihre Mutter starb als sie vier war, mittlerweile ist sie - siebzehnjährig - mit der Schule fertig und sollte sich eigentlich, so die Meinung der älteren Frauen im Dorf, einen Mann suchen und Kinder in die Welt setzen.

Doch statt nach Kleidern und Sling-Pumps schaut sie nach Latzhosen und macht sich, ganz praktisch veranlagt, nützlich. Im Keller findet sie beim Aufräumen einen alten Koffer, in dem sie auf ein handgeschriebenes Buch ihrer Mutter stößt. Darin enthalten nicht nur eine Tonfolge für das Glockenspiel, sondern auch magische Sprüche, Zeichnungen von merkwürdigen Wesen und Hinweise, dass die Gerüchte über ihre verrückte Mom vielleicht doch nicht ganz an den Haaren herbeigezogen sind. Man, na gut Frau sagt, ihre Mutter sei ein wenig verrückt gewesen - eine Hexe gar soll sie gewesen sein.

Als im Dorf die Vogelscheuchen lebendig werden, die Toten auferstehen und die Vögel vom Himmel fallen versucht sie nicht nur herauszufinden, wer ihre Mutter wirklich war, sondern sich auch dem Bösen entgegenzustellen, dem eine Tür geöffnet wurde…


Der Verlag wirbt mit dem Slogan „Ein mitreißendes Abenteuer in bester Benedic-Jacka- und Ben-Aaronovitch-Tradition.“ Das ist, sorry, Unsinn. Beide angesprochenen Verfasser haben ihre jeweilige Urban-Fantasy-Reihe in der Jetztzeit angesiedelt. Vorliegender Auftakt einer Trilogie entführt uns in die Vergangenheit. Insoweit könnte man unseren Plot weit treffender als Mischung einer Miss Marple mit Pippi Langstrumpf einordnen.

Geschickt stellt uns der Verfasser seine überschaubare Bühne - sprich das Dorf und dessen Bewohner - vor. Hier begegnen uns Figuren, die ganz typisch und irgendwie bekannt wirken. Unikate, mit einigen wenigen Pinselstrichen markant charakterisiert, Gestalten, die direkt aus einem der Kultfilme unserer rüstigen Ermittlerin entnommen sein könnten.

Dazu gesellt sich dann das übernatürlich Geschehen. Die Suche unserer Erzählerin nach ihren magischen Wurzeln, der Versuch, ihrer verstorbenen Mutter näher zu kommen, überhaupt einmal zu erfahren, wer diese wirklich war. Das ist interessant, zum Teil ergreifend, dann wieder lustig und voller trockenem Humor.

So ist dies ein gelungener, ein leiser, ein hintergründiger Auftakt einer Urban-Fantasy-Trilogie. Ein Buch, das ohne große Action-Szenen oder Feuerwerk auskommt, das verzaubert und mit seinen Figuren punktet.