Across the River (DVD)

Across the River
Italien 2014, Regie: Lorenzo Bianchini, mit Renzo Gariup, Marco Marchese, Lidia Zabrieszach u.a.

Rezension von Elmar Huber

Der Verhaltensforscher Marco Contrada (Marco Marchese) verbringt seine Zeit allein in den Wäldern, um dort Langzeitstudien mit einheimischen Tieren durchzuführen. Dazu stattet er unter anderem Wildschweine mit (Nachtsicht-) Kameras und GPS-Sendern aus, um ihre Wanderungen und Futtersuche zu beobachten.

Als eine Kamera plötzlich Bilder eines verlassenen Bergdorfes liefert, wird Contrada neugierig. Er folgt dem Tier über den nahen Fluss in die menschenleere Siedlung, wo er sich für weitere Studien einrichtet. In der Nacht wird der Forscher von seltsamen Geräuschen geweckt. Unsicher, ob er tatsächlich alleine ist, erkundet er die Siedlung. Da erfasst eine der Kameras plötzlich im Wald zwei junge Mädchen.

 

„Across the River“ ist ein brillantes Beispiel, dass es noch immer möglich ist, Schrecken auch ohne exzessives Blutvergießen zu erzeugen. Die Werbung spricht zwar vollmundig von einem Film in der Tradition von Argento, Fulci und Bava, doch Lorenzo Bianchini kann ganz ohne die übertriebenen Inszenierungen oder die expliziten Brutalitäten seiner seligen Landsleute überzeugen.

Schon die Ausgangssituation des Protagonisten, der alleine im Wald seine Forschungen betreibt, um die Tiere mittels Nachtsichtkameras bei ihrer nächtlichen Futtersuche zu beobachten, bringt ein gewisses Grundmaß an Beklemmung mit, das Bianchini auf subtile Weise stetig steigert.

Als erfahrener Horror-Konsument ist man zeitweise sogar versucht, in die titelgebende Flussüberquerung einen (nicht gezeigten) Unfall und einen unbemerkten Übertritt Contradas ins Jenseits hineinzuinterpretieren (wie zum Beispiel in „Karneval der toten Seelen“). Stattdessen orientiert sich „Across the River“ mit seinen teilweise subjektiven nächtlichen Aufnahmen der Tierkameras eher an „Blair Witch Project“, ohne diesen plump zu kopieren. Dass die Geschichte um die Geistermädchen am Ende von ihren Andeutungen lebt und keine vollständige Auflösung erfährt, liegt dabei durchaus in der Absicht des Regisseurs, wie dieser im Making-of preisgibt.

Weiterhin klärt das Making of auf, dass und wie das Team mit den Gegebenheiten, die sie vor Ort vorfanden, oft ‚tricksen‘ beziehungsweise diese ins rechte Licht rücken mussten. Die Wirkung des Films wird durch die teils provisorische Herangehensweise jedoch keineswegs geschmälert. Eher das Gegenteil ist der Fall. Auch dass der Film komplett von Hauptdarsteller Marco Marchese als alleiniger Identifikationsfigur für den Zuschauer durchgezogen wird, trägt nicht unerheblich zur Eindringlichkeit der Geschichte bei.

Darüberhinaus führt der deutsche Verleiher Marctropolis die schöne Tradition des Vorfilms wieder ein und hat dem Hauptfilm direkt Lorcan Finnegans 16minütigen Kurzfilm „Foxes“ vorangestellt, der aber auch einzeln anwählbar ist: Das Ehepaar Ellen und James lebt in einer reißbretthaft monotonen Neubausiedlung. Ellen ist immer mehr von den dort umherstreunenden Füchsen fasziniert. Sie folgt den Tieren, um sie zu fotografieren, und verschwindet schließlich auf einer ihrer Exkursionen.

Wie „Across the River“ vermag auch „Foxes“ mir geringsten Mitteln eine große Wirkung zu erzielen. Besonders die Bilder der unkrautüberwucherten und gleichförmigen Siedlungsgrundstücke, deren einzigen Bewohner Ellen und James offenbar sind, verströmen ein verstörend-surreales Flair. „Foxes“ ist ebenfalls auf Lorca Finnegans Webseite zu sehen.

Außerdem ist im Bonus-Material noch Daniele Tranis („Across the River“-Kameramann) Kurzfilm „Una serata tra amici“ („Ein Abend mit Freunden“), inspiriert von Joe R. Landsdale, enthalten. Alles in allem ein rundes und sogar recht üppiges Bonuspaket. Etwas Vergleichbares sucht man auf Major-DVDs vergeblich.

Kleine Mittel, große Wirkung. „Across the River“ ist ein atmosphärisch dichter Horror-Thriller, der mit seinem Setting an „Blair Witch Project“ erinnert und von einem einzigen Schauspieler getragen wird.