Simon R. Green: Spur in die Vergangenheit – Geschichten aus der Nightside 5 (Buch)

Simon R. Green
Spur in die Vergangenheit
Geschichten aus der Nightside 5
(Paths not Taken)
Aus dem Englischen übersetzt von Oliver Hofmann
Titelillustration von Oliver Graute
Feder & Schwert, 2009, Taschenbuch, 282 Seiten, 10,95 EUR, ISBN 978-3-86762-045-1

Von Carsten Kuhr

Mein Name ist John Taylor. An manchen Orten kann man mit diesem Namen Leute erschrecken. Ich arbeite als Privatdetektiv in der Nightside, jener kranken, magischen Stadt inmitten der Stadt, dem bestgehütetsten Geheimnis Londons. In der Nightisde ist es immer Nacht, immer drei Uhr morgens, der Teil der Nacht, wo die meisten Menschen sterben und die Nacht am Dunkelsten ist.

Kürzlich erst habe ich die wahre Identität meiner Mutter herausgefunden, der Frau, die vor Urzeiten die Nightside schuf. Ein paar Jahrhunderte lang war sie weg, gebannt von Gott weiß wem, jetzt ist sie zurück. Und sie will die Nightside vernichten. Das Dumme daran ist, dass sie das kann. Also muss jemand sie aufhalten. Nun raten Sie einmal, wen das Schicksal dazu auserkoren hat? Treffer und versenkt. Me, myself and I in Personalunion. Doch wie hält man Adams Frau, Lilith, die Emanze, die aus dem Garten Eden hinausgeworfen wurde, die mit den Teufel Dämonen zeugte und die Nightside, als Ort, an dem weder Himmel noch Hölle, weder Götter noch Magier herrschen können, auf, das zu tun, was sie sich in ihren verbohrten Kopf gesetzt hat? Großes Fragezeichen – doch immerhin sind wir in der Nightside und da gibt es doch gewisse Möglichkeiten, die Zukunft, die ich am Ende der Zeit gesehen hatte, aufzuhalten.

Zusammen mit Suzie Shooter und Tommy Oblivion, dem existenzialistischen Detektiv, mache ich mich mit Chronos’ Hilfe auf in die Vergangenheit, zu einer Zeit, als Herne noch seine wilde Jagd anführte, römische Senatoren mit Poseidon im Dampfbad relaxten und Lilith angreifbar schien – man beachte den Konjunktiv ...

Nachdem Simon R. Green im vierten Band der Reihe das Geheimnis um Taylors Mutter gelüftet hat, entführt er seine Leser dieses Mal in die tiefste Vergangenheit der Nightside. Und Green hat sich so Einiges einfallen lassen, um seine Leser auch diesen Band über an die Seiten zu fesseln. Zunächst geht es darum, einen Weg zu finden, überhaupt in die Vergangenheit reisen zu können. Immer wieder stellen sich Taylor dabei Gegner in den Weg, gibt es ein Wiedersehen mit alten Bekannten, werden aber auch neue Handelnde eingeführt. Geschickt spielt der Autor hier mit bekannten Versatzstücken der typisch englischen Literatur. Die Clubgeschichten, der Pub, in dem sich Wirt und Gäste bestens kennen und sich eine zweite Heimat geschaffen haben, Agenten- und Weltuntergangsthriller, sie alle fließen verballhornt und abgewandelt in vorliegenden Roman ein.

Seit dem vierten Band fehlt der Reihe ein wenig die amüsante Leichtigkeit der ersten Bände. Zuviel ist passiert, immer wieder griffen und greifen höhere Mächte in das Geschehen ein, zieht ein wahrer Götterpantheon auf. Das ist weiterhin fesselnd und rasant erzählt, bewegt sich aber auf einem anderen Level. Nicht länger ist das Kokettieren mit den Swingin’ Sixties, dem Glamour der 70er und den schrillen 80ern angesagt, jetzt geht es um ernstere Themen. Glaube, Verantwortung, Freiheit – das sind die Schlagworte, die der Handlung zugrundeliegen.

Natürlich wäre Green nicht der tolle Autor, wenn er dabei nicht wieder ein wahres Füllhorn an absurden Ideen, Situationen und Handlungsplätzen über seine Leser ausschütten würde. Es göttert sich durch die Vergangenheit Londiniums, es wird betrogen, gelogen, gefightet und gemordet, dass es eine wahre Pracht ist. Abgedreht, dabei unterhaltsam, mit so manchem nachdenkenswertem Ansatz versehen bleibt die Spannungskurve und das Tempo hoch und der Leser an den Seiten kleben.