C. K. McDonnell: The Stranger Times (Buch)

C. K. McDonnell
The Stranger Times
(The Stranger Times, 2021)
Übersetzung: André Mumot
Eichborn, 2021, Paperback, 462 Seiten, 20,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Manchester ist nun wirklich keine weltberühmte Stadt. Ja, es gibt zwei namhafte Fußballclubs, dazu einige alte Häuser - aber so richtig Weltstadt-Niveau hat der Ort nie erreicht. Umso besser ist die Stadt dafür geeignet, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen. Hannah lebte bislang in Dubai und London auf der Sonnenseite des Lebens. Ihr Ehemann verdiente dick Kohle, ihre Tage waren angefüllt mit Kaffeekränzchen, Essen gehen und Shoppen.

Dass sie ihr Studium ihrem Mann zuliebe abgebrochen hatte, was soll’s - wer schert sich schon drum, wenn doch die Ehe derartig glücklich verläuft? Dass ihr Mann alle Frauen beglückt, die ihm über den Weg laufen erfährt sie spät. Sie trennt sich, versucht das gemeinsame Haus im Nobelviertel anzuzünden - was ihr misslingt -, will aus der Scheidung keine Abfindung. Sie versucht zu sich selbst zu finden, neu anzufangen - und damit sind wir wieder in Manchester. Ein Broterwerb, ein Job - für eine ungelernte Kraft - muss her.

Das erste Vorstellungsgespräch geht so richtig in die Hose, dann aber macht sie die Bekanntschaft der Redaktion der „Stranger Times“ - einer Wochenzeitung für all das, was keiner glaubt, was es nicht gibt, nicht geben darf. Wenn das Monster von Loch Ness einen Schnupfen hat - „Stranger Times“; wenn Aliens Sie entführen - melden Sie sich über die Spinner-Hotline bei der „Stranger Times“; Sie haben das Bild im Kopf?

Gleich in ihrer erster Arbeitswoche kommen die Journalisten etwas auf die Spur, das sie in all den Jahren, in denen die Zeitung bereits besteht; noch nie hatten: Sie stoßen auf das wahrlich und wirklich Übernatürliche!

Ein junger Mann, der sich gerne dem Reporter-Team anschließen würde, fällt vom Hochhaus; ein Obdachloser knallt in 5 Meter Höhe gegen ein Haus; Menschen werden hypnotisiert, verlieren ihr Gedächtnis, ja werden in reißende Bestien verwandelt. Investigativer Journalismus ist da natürlich gefragt, und schon kommt unsere Truppe von der „Stranger Times“ einer unbekannten Parallelgesellschaft von Unsterblichen und magischen Kreaturen auf die Spur…


Hinter dem Pseudonym C. K. McDonnell versteckt sich der irische Stand-up Comedian und Kabarettist Caimh McDonnell, der im Bereich des Kriminalliteratur mit seinen lustigen Reihen Großbritannien zum Lachen gebracht hat. Nun legt er den Auftaktband einer Urban-Fantasy-Trilogie vor, die uns besten britischen Humor mit skurrilen Figuren und jeder Menge Wortwitz offeriert.

Nun ist britischer Humor nicht unbedingt Jedermanns Sache - an Monty Python scheiden sich die Geister. Vorliegend erinnert das Gebotene aber mehr an „Dinner for One“ oder einen leicht oberflächlichen Terry Pratchett, als an die Schauspieler.

Dies vorweggeschickt, gleich eine Empfehlung. Das Werk liest sich unheimlich flüssig und packend, verwöhnt mit eingängigen Charakter-Figuren die alle ein wenig meschugge sind, dabei aber liebenswert und interessant daherkommen.

Der Verfasser verschließt dabei keineswegs die Augen vor sozialen Ungerechtigkeiten, gesellschaftlichen Missständen oder Seilschaften und entsprechender Einflussnahme der Reichen und Mächtigen. Dies ist aber geschickt in die Szenerie eingebaut, durchzieht das Fundament ohne aufgesetzt zu wirken. Im Vordergrund steht eine - auf den zweiten Blick - gewöhnliche Urban-Fantasy-Handlung. Verborgen vor den Augen der Sterblichen gibt es zwei Gruppierungen, die, ganz unterschiedlich in ihrer Ausprägung und ihrem Auftreten, existieren. Die Unsterblichen, die ihr nichtalterndes Schicksal der gestohlenen Kraft der magischen Wesen verdanken und eben jene Wesen, die einst gejagt und getötet, inzwischen durch einen lockeren Vertrag geschützt werden. Vergleichbares kennen wir aus diversen Reihen - es sind die Figuren, die dieses Buch aus der Masse hervorheben.

Der schwule Reporter etwa oder der Hippie, der zumeist den Druck der Zeitung übernimmt, die dunkelhäutige Sekretärin und ihre Mündel und nicht zu vergessen der Chefredakteur - ein aus der Fleet Street (Heim der angesehensten Tageszeitungen des Empires) stammender ehemaliger Karriere-Journalist, den der Tod seiner Frau aus der Bahn geworfen hat und der dem Hochprozentigen seitdem verfallen ist; das ist zugleich divers und im höchsten Maß antirassistisch, das ist mega-unterhaltsam.

So ist dies ein Buch, bei dem der Leser voller Ungeduld die Seiten umblättert, den kurzen Kapiteln voller Vergnügen folgt und er spannend mit ein klein wenig unauffälligem Tiefgang unterhalten wird. Dass Anfang 2022 im Königreich der zweite Band erscheint lässt darauf hoffen, dass Eichborn uns diesen zeitnah kredenzen wird.