Charles Platt: Die Macht und der Schmerz (Buch)

Charles Platt
Die Macht und der Schmerz
(The Power and the Pain, 1971)
Übersetzung: Susanne Picard
Titelbild: Dean Samed
Festa, 2021, Hardcover, 316 Seiten, 34,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Quinn liegt die Welt zu Füßen. Seit er vor ein paar Jahren sein erstes Album auf den Markt gebracht hat, erreichten all seine Single-Auskopplungen die Top 10. Seine Konzerte sind innerhalb von Minuten ausverkauft, die zumeist weiblichen Fans verehren ihn. Seinem Ruhm und seiner lasziven Ausstrahlung verdankt er es, dass Groupies allerorts Schlange stehen, um sich von ihm beglücken zu lassen. Sein Name, seine Meinung zählen bei der jungen Generation, die ihn vergöttert wie einen Heiligen - der er nicht ist.

Doch so ganz langsam wendet sich das Blatt. Seitdem die Liebe seines Lebens in seiner Villa zu Tode kam, hat ihn die Inspiration verlassen. Statt im Studio die nächste Single oder das zweite Album aufzunehmen, verbringt er seine Tage lieber im Rausch und mit den allzeit verfügbaren, willigen Fans.

Im New Yorker „Sheraton“ stößt er auf ein Zimmermädchen, das sich operativ zu einem Hermaphroditen hat umwandeln lassen. Der angenähte Penis ist voll operabel - das Ergebnis erstaunt, fasziniert, ja begeistert den Musiker. Er geht auf die Jagd nach dem plastischen Chirurgen, der derartig Revolutionäres im OP-Saal schaffen kann. Eine Jagd, die ihn über Los Angeles in ein abgelegenes Tal in den Schweizer Alpen führt.

Hier, umrahmt von schroffen Gipfeln, liegt die Klinik. Tief in den Berg verbaut, frönt ein exzentrischer Multimilliardär seinem lukrativen Hobby, Menschen zur sexuellen Zügellosigkeit anzustacheln und dabei die Grenzen des Möglichen, des Vorstellbaren auszuweiten und einen Sündenpfuhl zu kreieren, der den Marquis de Sade vor Neid blass werden ließe…


Charles Platt hat mittlerweile schon einige Bücher bei Festa veröffentlicht. Sein Thema ist durchgängig die Darstellung plakativer Sexualität in Verbindung mit einer bizarren, überraschenden Idee, die jeweils als Grundanlage für die Handlung dient.

Dies ist vorliegend nicht anders. Ausgehend von der Frage, was ist medizinisch denkbar und was wäre, wenn dies auch möglich wäre und umgesetzt würde, schildert er uns die Suche nach dem Hort der sexuellen Freizügigkeit.

Geschickt setzt er hier einen Künstler, einen gefeierten Star als Erzähler ein. Ein dunkles Geheimnis umgibt diesen, seine Inspiration ist dahin, sein künstlerischer wie kommerzieller Zenit überschritten. In seiner Entourage befinden sich ein taubstummes Mädchen, zu dem er eine besondere Beziehung hegt, eine einarmige Leibwächterin und sein Manager.

Diese dienen allerdings - ebenso wie ein Groupie - nur dazu ihn, seine Schrullen, seine Egozentrik und seinen Egoismus in aller Deutlichkeit zu porträtieren. Das entspricht zwar dem Erwarteten, Platt nutzt hier die gängigen Vorurteile über gefeierte Musiker weidlich, hat aber gerade durch die zum Teil sehr feinfühlig gezeichneten Beziehungsgeflechte des Stars zu seinen wenigen Freunden etwas Anrührendes. Dazu gesellt sich, immer wieder und mit ständig steigender Intensität, die Darstellung der pornographischen Vorgänge.

Die Leser erwartet das, was sie sich bei einem Platt immer auch erhoffen: sexuelle Perversionen; nicht so krass, dass es für die Extrem-Reihe reichen würde, aber doch markant und satt. Dazu gibt es einige bestechende VR-Ideen, die bislang so noch nicht in die Realität umgesetzt wurden. Wenn die wenigen, aber sehr gekonnt dargestellten Beziehungen Quinns zu seinen Freunden nicht wären, der Roman fiele unter den üblichen Porno-Trash. So aber bietet er auch das Bild eines zutiefst einsamen, traumatisierten Wesens und bleibt damit interessant.