Haunt 1 (Comic)

Haunt 1
Autor: Robert Kirkman
Zeichnungen: Ryan Ottley
Tusche: Todd McFarlane
Layouts: Greg Capullo
Farben: FCO Plascencia
Übersetzung: Claudia Fliege
Lettering: Walproject
Panini, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 132 Seiten, 16,95 EUR

Von Frank Drehmel

Als nach einigem Hin und Her im Vorfeld der Zusammenarbeit der beteiligten Kreativen, deren Anfänge bis ins Jahr 2006 zurückreicht, der Image-Verlag im Jahre 2009 die Serie „Haunt“ endgültig ankündigte, waren die Erwartungen des Fandoms relativ hoffnungsvoll, denn mit Kirkman („The Walking Dead“) und McFarlane („Spawn“) standen neben Capullo und Ottley zwei Stars der amerikanischen Szene und Garanten hohen inhaltlichen und künstlerischen Niveaus an der Spitze des Projektes. Manchmal sind Hoffnungen allerdings trügerisch und große Namen kaum mehr die heiße Luft aus einer bemühten Marketing-Abteilung.

Daniel und Kurt Kilgore sind Brüder. Während der erste als Hilfspriester ein manchmal mehr, meistens jedoch weniger gottgefälliges Leben führt, arbeitet Kurt als Söldner und Auftragskiller für die Agency. Eines Tages setzt er eine Mission bewusst in den Sand, indem er die Zielperson, die er retten soll, tötet, da dieses abscheuliche, verbrecherische Menschenexperimente durchführte. Da jedoch die Forschung des Verbrechers von unermesslichem militärischem Nutzen ist, lässt ein Maulwurf innerhalb der Agency Kurt gefangennehmen, um ihn unter Folter das Versteck von Aufzeichnungen abzuringen, in deren Besitz er den Söldner wähnt. Da der Gefangene nichts von irgendwelchen Notizen weiß, foltert man ihn zu schließlich Tode. Doch dieser Tod ist nur der Anfang. Als Geist erscheint Kurt von nun an seinem Bruder, um ihm den Schutz seiner trauernden Freundin Amanda ans Herz zu legen und gleichzeitig Daniel vor den Leuten zu warnen, die die Aufzeichnungen suchen. Als zwei gedungene Mörder urplötzlich in der Wohnung Amandas auftauchen, geschieht das Unfassbare: Kurt und Daniel verschmelzen zu einem Wesen, das sich Haunt nennt, und das über unmenschliche Kräfte und Fähigkeiten verfügt. Mit spielerischer Leichtigkeit metzelt Haunt, in dessen Kopf die Brüder um die Herrschaft über den Körper ringen, die beiden Killer nieder, um kurz nach einem weiteren Mord wieder in die beiden Personen zu zerfallen, aus denen es besteht. Unter Anleitung des Geistes nimmt Daniel Kontakt zu einem sogenannten Cleaner auf, der die Leichen beseitigt, und stattet der Agency einen Besuch ab. Hier ist man von der Story, die der Priester Director Stantz und Assistant Director Beth Tosh, einer ehemaligen Geliebten Kurts, auftischt, zunächst alles andere als überzeugt, ändert jedoch die Meinung, als Daniel im Gefängnis der Organisation fast einem Mordanschlag zum Opfer fällt und im Zuge dessen Haunt erscheint.

Dafür, dass „Haunt“ nicht ansatzweise das hält, was Namen und Marketing im Vorfelde verhießen, gibt es mehrere Gründe. Zunächst ist das Artwork mit Ausnahme der stimmigen Koloration alles andere aufregend: die Figuren sind vergleichsweise kantig mit zum Teil karrikaturhaft überzeichneten Mimiken und verschobenen Proportionen, welche ihnen ein unbeholfenes Äußeres verleihen; zudem erinnern Posen, Proportionen und Dynamik Haunts wie sein gesamtes Erscheinungsbild – einschließlich der bandageähnlichen Fäden, die seinem Körper entströmen – zu sehr an Spider-Man, um in künstlerischer Hinsicht keinen plagiatorischen Eindruck zu erwecken.

Auf der inhaltlichen Ebene dominieren Pathos sowie Soap-opera-hafte Melodramatik die Beziehung der beiden hölzernen, blutleer wirkenden Brüder, während die Handlung selbst einen uninspirierten Mix aus Unerklärtem beziehungsweise Andeutungen, Verschwörungssoap und Standard-Konflikten beziehungsweise -Situationen darstellt. Nicht nur, dass also mangels zündendem Grundplots Haunt wie eine Figur aus dem Fertigbaukasten für Amateur-Superhelden-Bastler wirkt, auch die menschliche Dimension, die Kirkman in seiner Serie „The Walking Dead“ so grandios zu inszenieren versteht, verliert sich im vordergründigen Geplapper der Protagonisten.

Fazit: Das mäßige Artwort, die langweilige Story sowie eine Hauptfigur ohne Seele oder interessantes Grundkonzept belegen, dass große Namen kein Garant für gute Comics sind.