Michael Siefener: Der Teufelspakt (Buch)

Michael Siefener
Der Teufelspakt
Titelbild: Timo Kümmel
Atlantis, 2020, Hardcover, 348 Seiten, 22,90 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Der erfolglose Schriftsteller Jan Droom lebt zurückgezogen in seiner Kölner Wohnung. Ein bescheidenes Erbe ermöglicht ihm, ohne profanen Job seiner Berufung nachzugehen. Als er in einem Antiquariat ein Buch kauft - genauer: ein handschriftliches Manuskript in Sütterlin, das von einer schwarzgekleideten Frau vor seinen Augen heimlich ins Regal gestellt wurde, beginnt seine sichere, wenn auch egozentrische und triste Welt immer mehr aus den Fugen zu geraten.

Jan bemüht sich, das Buch Stück für Stück zu transkribieren und verfolgt zunächst fasziniert, dann angewidert die Geschichte des Priesters Johannes, der in sündiger Liebe zu der verheirateten Renata entbrennt. Um sie zu besitzen, scheut er sich nicht, deren Mann und andere Bewohner des Dorfes der Hexerei zu beschuldigen. Indem er über Leichen geht, erreicht er sein Ziel, doch den Preis, den er dafür zahlen muss, erweist sich als zu hoch, und es gibt keine Vergebung, kein Zurück.

Zufällig lernt Jan eine Frau kennen, die er vergöttert: Susanne, die ihn sittsam auf Abstand hält und dadurch umso mehr reizt, seine Jungfräulichkeit an sie zu verlieren. Genauso wie Renata ist sie jedoch nicht das, wofür er sie hält, und trotzdem es mehrere Anzeichen dafür gibt, verschließt er die Augen, sodass ihn der Schock, als er es nicht länger zu leugnen vermag, umso härter trifft.

Nachdem sich Susanne von ihm getrennt hat, versucht Jan vergeblich, von ihr loszukommen und will schließlich Suizid begehen, hoffend, dass er sie durch Schuldgefühle strafen kann. Doch an dem Platz, den er sich ausgesucht hat, baumelt bereits ein anderer, laut späteren Pressemeldungen, „die Bestie“, die seit geraumer Zeit durch grausame Morde die Stadt in Atem hält. Daraufhin trifft Jan eine schwerwiegende Entscheidung, von der er sich einen Neuanfang verspricht, nun wieder mit dem Wunsch, Susanne endlich für sich zu gewinnen.

Aber alles wird bloß noch sehr viel schlimmer - und es scheint keinen Ausweg aus dem „Teufelspakt“ zu geben, den er nach wie vor nicht erkennt und noch weniger versteht.


Michael Siefeners Mystery-Thriller spielt 1995/96. Dem Leser wird als Hauptfigur ein Autor aus der Ära von Kanzler Kohl vorgestellt, als es noch die DM und keine Selfpublishing-Plattformen gab. Wie so viele seiner Kollegen geht Jan Droom mit einem Manuskript bei den Verlagen Klinkenputzen und erhält zu seinem großen Verdruss nur Absagen. Egal, worum es geht, selbstgerecht verurteilt er seine ihm nicht näher bekannten Mitmenschen, trieft vor Selbstmitleid und bejammert sein Leben, statt sich aufzuraffen, um etwas zu ändern, denn schuld sind immer die anderen. Dadurch entwickelt man keinerlei Sympathien für Jan, sondern fühlt sich zunehmend von ihm und der schleppenden Handlung genervt.

Die Handschrift eines Priesters soll als Quell der Inspiration für ein neues Buch dienen, das Jan hoffentlich die Tür zu einem Verlag aufstößt. Die frische Beziehung zu Susanne motiviert ihn, sein Schneckenhaus vorsichtig zu verlassen. Zudem läuft ihm immer wieder die mysteriöse Frau in Schwarz über den Weg, die er in gewisser Weise für das finstere Gegenstück der von ihm verehrten, meist in Weiß gekleideten Susanne hält.

Weitere seltsame Dinge ereignen sich. Alles scheint miteinander verknüpft zu sein, doch Jan kann oder will die Verbindung nicht erkennen, da ihn nur einzelne Puzzle-Stücke interessieren und er sich die zunehmend frustrierenden Geschehnisse so zurechtbiegt, dass er sie einigermaßen ertragen kann.

Dieses eigentümliche Verhalten wird von Michael Siefener erzählerisch dadurch verdeutlicht, dass er die Chronologie (mit Tagesdatum) von Jans Absturz in Form unregelmäßiger Perspektivenwechsel gestaltet: mal aus der Sicht von Jan, dann durch dessen Tagebucheinträge, ferner korrigiert ein neutraler Erzähler die vom Protagonisten geschönten Passagen, und hinzu kommen noch die Auszüge aus dem Text von Johannes.

Erwartungsgemäß summieren sich Parallelen, Abweichungen und gar Widersprüche - und früh ahnt man, dass es Jan wie Johannes ergehen wird.

Doch Michael Siefener wagt sich noch weiter vor, indem er die zurückliegenden Ereignisse in Form einer perversen Inszenierung nachspielen lässt und Personen involviert, die offenbar mehr wissen, aber schweigen, und die Beteiligten gekonnt manipulieren. Das geht soweit, dass Jan zu einem anderen wird und, selbst wenn er sich tief im Innern an seine ursprüngliche Persönlichkeit klammert, sein neues, stärkeres beziehungsweise rücksichtsloseres Ich akzeptiert. Dadurch vermischen sich die surreal-phantastischen mit den Krimi-Elementen weiter zu einem düsteren und grausigen Albtraum, der letztendlich wie eine Hommage an Franz Kafkas „Der Prozess“ wirkt.

Laut der Strippenzieher soll Jan mehrfach die Möglichkeit gehabt haben, durch die richtigen Entscheidungen sein Schicksal zu beeinflussen, doch indem mit ihm eine labile Person ausgesucht wurde, die immer den leichtesten Weg wählt, war er tatsächlich ab dem Kauf der Handschrift unrettbar verloren, und nicht nur er.

Ab dem gescheiterten Suizid-Plan wird die Handlung spannender und nimmt an Fahrt auf. Das Ende stellt indes keine Überraschung dar, sondern schließt den Kreis in vielerlei Hinsicht, von Johannes zu Jan, Hans Torcol und dem nächsten Einzelgänger, allesamt getrieben von ihren Sehnsüchten, Enttäuschungen und irgendwann auch nicht wiedergutzumachenden Taten, sowie zu den anderen Beteiligten, von der Vergangenheit zur Gegenwart, und es legitimiert die Antipathie, die gegenüber den Figuren aufgebaut wurde.

Michael Siefener hat mit „Der Teufelspakt“ einen Roman verfasst, den man gleichzeitig langatmig und interessant findet, der mit unsympathischen Charakteren bestückt ist, die vielschichtig und wandelbar sind, weshalb sie die Neugierde wachhalten, dessen Handlung vorhersehbar ist und doch nicht alle Lösungen eindeutig und auf dem Silbertablett präsentiert. Er beschreibt einen Kreislauf, der seit Generationen ungebrochen ist, womöglich nur in der kranken Phantasie des Protagonisten existiert, vielleicht tatsächlich Teufelswerk ist.

Ein seltsames, bedrückendes Buch, das man nicht mag, nicht mögen soll, über das man jedoch nachdenkt, wie zweifellos von Michael Siefener beabsichtigt.