Ravencroft - Das Grauen hinter Gittern (Comic)

Ravencroft - Das Grauen hinter Gittern
(Ruins of Ravencroft: Carnage, Ruins of Ravencroft: Dracula, Ruins of Ravencroft: Sabretooth, Ravencroft 1-5, 2020)
Text: Frank Tieri
Titelbild: Kyle Hotz
Zeichnungen: Angel Unzueta, Guiu Vilanova, Stefano Landini u.a.
Übersetzung: Michael Strittmatter
Panini, 2021, Paperback, 212 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Elmar Huber

Als das Ravencroft-Institut für kriminelle Superschurken abgerissen wird, legen die Bagger eine Treppe in den Untergrund des Gebäudes frei. Unter den Ruinen befindet sich eine zweite Einrichtung, die in erster Linie einem Gefängnis gleicht. Die anwesenden Personen, Mercedes „Mysti“ Knight, John „Man-Wolf“ Johnson, Reed „Mr. Fantastic” Richards und Bürgermeister Wilson „Kingpin” Fisk stoßen dort auf eine Tür mit der Aufschrift „Die Unerwünschten“.

Parallel enthüllt das Tagebuch des Institutsgründers Jonas Ravencroft die Vergangenheit der Einrichtung: von der Zeit der Besiedlung Amerikas durch europäische Einwanderer - schon dort galt das Gebiet, in dem ein Kannibalenstamm gelebt haben soll, als verflucht - bis in die Jahre des Zweiten Weltkriegs, in der die Regierung für militärische Menschen-Experimente benutzt hat.


Mit „Ravencroft“ erhält endlich das Marvel-Pendant zu DCs „Arkham Sanatorium“ seinen eigenen Comicband. Enthalten sind die drei ‚Vorgeschichten‘ „Carnage“, „Sabretooth“ und „Dracula“, die schon zeigen, dass das Sanatorium von Beginn an buchstäblich auf ‚schlechtem‘ Boden stand. Eine sehr coole Idee, und auch die Erzählweise, ein steter Wechsel aus Gegenwartshandlung und Rückblenden (Jonas Ravencrofts Aufzeichnungen), ist gelungen.

Das hohe Helden-Aufkommen trägt dagegen nichts zur Story bei und ist damit absolut überflüssig. Außerdem schadet es nicht, diverse andere Marvel-Storys zu kennen wie „Venom: Der Kult des Killers“ und einige Bände „Maximum Carnage“. Es ist also kein Band für Marvel-Neulinge.


Nach diesen ‚Prologen‘ folgt die Mini-Serie „Ravencroft“. Das Institut ist wieder aufgebaut, Wilson Fisk gibt als Bürgermeister den Interims-Direktor, Norman „Green Goblin“ Osborne ist als Berater angeheuert, und die leitenden Stellen sind mit zwielichtigen Figuren besetzt: Taskmaster, Moonstone, Scorpion, Hobgoblin. Und als wären die ‚normalen‘ Insassen nicht schon gefährlich genug, gelingt es auch noch den „Unerwünschten“ (verwachsene Albtraumkreaturen, genetische Mutationen, Ergebnisse von Vampir-Experimenten), sich zu befreien und in die höher gelegenen Stockwerke einzudringen.


„Ravencroft“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die Grundidee, der grobe Handlungsverlauf, die Historie, die das Institut verpasst bekommt, die Verquickung mit dem Venom-Kult, das sind alles großartige Bausteine. Der Zusammenbau erfolgt jedoch enttäuschend schludrig. Dem Leser wird ständig ein neuer Brocken hingeknallt, sodass für die notwenige Tiefenwirkung gar kein Raum bleibt. Auch bleibt unklar, wohin sich die Geschichte entwickeln soll, eine Richtung ist nicht erkennbar.

Anstatt alles gleichzeitig erzählen zu wollen, und damit nichts richtig, hätte man den Fokus besser zuerst auf ein oder zwei Dinge gelegt und weitere Themen später hochgezogen. Dass „Ravencroft“ noch einige Überraschungen bereithält, steht außer Frage.

Auch optisch kann der Band nicht halten, was das Cover-Motiv von Kyle Hotz (im Greg-Capullo-Stil) verspricht. In den austauschbaren Bildern spiegelt sich die oberflächliche Erzählweise. Lediglich die ‚vergilbten‘ Rückblenden stechen hier positiv heraus.

Die schludrige, ziellose Erzählweise und das ermüdende Charakter-Dropping machen „Ravencroft“ trotz guter Ansätze zu einer insgesamt eher anstrengenden Angelegenheit.