Jonathan Stroud: Die Outlaws - Scarlett & Browne 1 (Buch)

Jonathan Stroud
Die Outlaws
Scarlett & Browne 1
(The Outlaws Scarlett & Browne, 2021)
Übersetzung: Katharina Orgaß und Gerald Jung
cbj, 2021, 426 Seiten, 22,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Vor Generationen versank die Welt, wie man sie bis dahin kannte, in Chaos und Vernichtung. Seitdem liegt London unter Wasser, weite Teile des ehemaligen Königreiches sind verseucht, die Zivilisation auf ein eher dörflichen Level zurückgefahren.

Die Menschen haben sich in streng abgeschotteten Kleinstädten und Dörfern zurückgezogen, fanatische Glaubenskongregationen buhlen um Anhänger, das organisierte Verbrechen blüht. Die, die anders aussehen, sich von ihren Mitmenschen gleich in welcher Hinsicht auch unterscheiden, werden ausgegrenzt, verjagt und gefoltert.

In dieser Welt begegnen wir einer jungen Frau. Scarlett McCain hat das Schicksal übel mitgespielt. Seitdem bestreitet die Rothaarige ihren Lebensunterhalt damit, Banken auszurauben und schneller als die örtlichen Büttel zu sein.

Nach einem neuen, erfolgreichen Coup stößt sie bei ihrer Flucht auf einen verunglückten Bus. In der Toilette versteckt sich der einzige Überlebende - ein junger Mann, Albert Browne, der scheinbar so gar nichts von der Welt und wie es in dieser zugeht, weiß.

Dass ihn unsere Diebin unter ihre Fittiche nimmt, erweist sich als ganz, ganz schlechte Idee. Plötzlich hat Scarlett nicht nur die Büttel der Banken, die ihr Geld wiederhaben wollen am Hals, auch Albert wird verfolgt. Der junge Mann ist aus einer Forschungsanstalt geflohen und die Forscher wollen ihn, koste es was es wolle, wiederhaben. Seine besonderen Gaben, die er, als Sklavenhändler ihn gefangennehmen wollen beeindruckend einsetzt, machen ihn zu etwas Besonderem. Von den Händlern bleiben nur ein paar wenige Fleisch- und Knochenreste übrig - ihre Häscher aber sind aus anderem Holz geschnitzt und jagen die Beiden gnadenlos ins Themse-Delta .


Jonathan Stroud hat seiner weltweiten Leserschar gar wunderbare Bücher geschenkt. Die tollen, witzigen und unterhaltsamen Bartimäus-Romane sind hier zu nennen, später legte der Brite nach und präsentierte uns mit „Lockwood & Co.“ eine weitere Bestseller-Reihe.

Insoweit merkt der Fan packender All-Age-Abenteuer auf, wenn sein Verlag den Start einer neuen Reihe ankündigt.

Dieses Mal geht es nicht zu den Dämonen oder in ein von Geistern heimgesuchtes Britannien, dieses Mal wartet eine dystopische Zukunft auf uns. Die Zivilisation kommt auf dem Zahnfleisch daher, das Recht des Brutaleren herrscht - die Bühne, auf der Stroud seine Handlung ablaufen lässt entspricht dem Gewohnten.

Die Stärken Strouds lagen immer in den spritzigen Dialogen und den markanten Figuren. Vorliegend hält sich der Verfasser bei den Dialogen zurück. Die beschriebenen Situationen sind auch nicht wirklich lustig oder bieten einen Aufhänger um rumzualbern, so dass dieser Wesenszug Stroud’scher Erzählweise deutlich weniger genutzt wird.

Statt essen versucht er uns mit seinen beiden Figuren, die den Plot dominieren, zu fesseln. Dabei bleibt - noch zumindest - allerdings Vieles offen. Die Historie der beiden Protagonisten wird lediglich angeschnitten, einzig durch ihre Interaktion erhalten wird einen Einblick in ihr Seelenleben. Das ist letztlich zu wenig, um den durchaus spannenden Plot mit Tiefe zu hinterfüttern.

Seine Stärken hat die Handlung in der rasant ablaufenden Verfolgungsjagd. Hier lernt der Leser nicht nur die neuen geographischen Begebenheiten Englands kennen, auch die Dramatik wird weidlich bedient. Unsere Beiden stolpern buchstäblich von einer gefährlichen Situation in die nächste, müssen sich immer wieder ihrer Haut wehren. Dass dabei Scarlett die klar kämpferisch Bestimmende ist, dass sie weiß, wie man sich in Auseinandersetzungen verhält, wie man tötet während Albert mehr hinterherstolpert, verteilt die Rollen eindeutig und erfrischend ungewohnt.

Alles in allem also ein unterhaltsamer, spannender Roman, der aber nicht an die ganz großen Erfolge des Autors heranreicht.