Kevin Hearne: Tinte & Siegel - Die Chroniken des Siegelmagiers 1 (Buch)

Kevin Hearne
Tinte & Siegel
Die Chroniken des Siegelmagiers 1
(Ink & Sigil, 2020)
Übersetzung: Friedrich Mader
Titelbild: Sarah J. Coleman
Hobbit Presse, 2021, Paperback, 378 Seiten, 15,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Aloysisu „Al“ MacBharrais ist ein schottischer Siegelagent. Weil sich ein gewisser uralter Druide seit Jahrhunderten seinen Verpflichtungen entzieht, sind er und die wenigen Kollegen dafür verantwortlich, dass sich die Wesen aus anderen Gefilden nicht beliebig an den ahnungslosen Menschen vergreifen, sondern an Verträge halten, die das Gleichgewicht zwischen der Erde und den diversen Pantheons wahren.

In die Jahre gekommen, möchte Al den aufreibenden Job gerne irgendwann einem Nachfolger überlassen, doch noch jeder seiner Schüler starb einen tragischen Unfalltod. Nun auch Gordie. Doch war dieser offenbar in unlautere Geschäfte verwickelt. Die Spuren, die Al verwischen muss, weisen darauf hin, dass sein Zögling nicht nur Feen gefangen und verkauft hat, sondern dass er Siegel fertigen konnte, die ihm von jemand anderen als seinem Meister gelehrt wurden.

Al kann Gordies letztes Opfer, den Hobgoblin Buck Foi, retten und ihm durch einen Vertrag Schutz bieten, wofür er im Gegenzug dessen Dienste in Anspruch nehmen darf. Schnell wird daraus ein gegenseitiges Geben und Nehmen, als sie dem Drahtzieher auf die Spur kommen, dem es gelungen ist, den größten Schwachpunkt der Feen - Eisen - zu neutralisieren und sie zu zwingen, für ihn zu arbeiten - präziser: zu morden.


„Die Chronik des Siegelmagiers“ spielt in der gleichen Welt wie „Die Chronik des Eisernen Druiden“. Atticus hat sogar einen kleinen Auftritt, ohne jedoch in die Handlung einzugreifen - um die diesbezügliche Ahnung der Leser zu bestätigen. Ob daraus mal ein richtiges Crossover wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls stiehlt der Druide dem Siegelagent nicht die Show, der es mit bescheideneren Mitteln und ähnlichen Handicaps (auf Al lasten Flüche) gegen mächtige Götter und Feenwesen aufnehmen muss.

Vom Wesen her sind die beiden einander ähnlich, denn sie verkörpern in gewisser Weise den Autor. Gemein ist ihnen, trotz unterschiedlichen Alters und magischen Möglichkeiten, dass sie um ihr Überleben kämpfen, gegen Unrecht vorgehen - und auf die Hilfe treuer Freunde angewiesen sind. Das heißt, obschon sie über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügen, sind sie verletzlich, begehen Fehler - kurz: Sie heißen nicht Superman. Was Granuaile und Oberon für Atticus bedeuten, sind Buck Foi und Nadja für Al.

Letzteres ist sogar sinnvoll, denn anders als der Druide ist Al (den man sich optisch wie den Dokutainment-Anwalt Ingo Lenßen vorstellen darf) kein jung gebliebener versierter Kämpfer mit hohem magischem Potential. Sein Überleben im Kampf ist, noch mehr als bei Atticus, abhängig von Informationen, seiner Intelligenz, den vorbereiteten Siegeln und zuverlässigen Helfern, die das Grobe übernehmen.

Hier kommt zunächst Buck Foi ins Spiel, zwielichtig, unkontrollierbar, womöglich sogar ein Gegenspieler - aber letztlich für den Spaß zuständig und ab und zu ein kleiner deus ex machina. Hingegen wird Nadja durch Rückblenden - ebenfalls ein beliebtes Element in der „Chronik des Eisernen Druiden“ - als zuverlässige Helferin verankert und sorgt dafür, dass der ältliche Agent glaubwürdig und nicht als Hulk Hogan erscheint, gerade wenn er es mit bösen Feenwesen zu tun bekommt, die mehr sind, als sie sein sollten.

Es bleibt abzuwarten, ob - wie bei Atticus, der sich zunächst vor einem rachsüchtigen Gott versteckte und dann (ein neues) Ragnarök abwenden musste, Al künftig einer hier gelegten Spur folgen wird, die Immunisierung von Feen gegen Eisen, damit sie die Erde und andere Pantheons übernehmen –, oder ob das bloß der Auftakt zu etwas noch Größerem ist.

Wer „Die Chronik des Eisernen Druiden“ kennt, sieht viele Parallelen, die mehr oder minder gut ankommen. Die saloppe Erzählweise ist schon gewöhnungsbedürftig, wirkt manchmal sogar albern, aber die sympathischen Figuren und der freche, zeitgenössische Umgang mit allen Gottheiten und Geistern lassen das schnell vergessen. Ähnlich läuft es hier, man akklimatisiert sich als Hearne-Leser sogar sehr schnell, doch denkt man immer wieder: Muss die ausgeprägte Fäkaliensprache (oder war das der Übersetzer Friedrich Mader?) wirklich sein, sind solche derben Ausdrücke „echt cool“ oder nicht eher infantil, wie kann man glauben, mit so viel „Kacke“ die Handlung spannend und witzig voranbringen?

Ja, man liest den ersten Band der „Al MacBharrais“-Saga erwartungsvoll und mit Amüsement, doch zunächst ist er ein „Eiserner Druide“-light, ein Image, von dem er sich noch freischwimmen muss.

Ein Plus sind die veränderte Herangehensweise an die Pantheons und wie man Feenwesen in ihre Schranken verweist; was weniger gefällt, ist die derbe Ausdrucksweise, welche nicht auf Milieu-Figuren beschränkt ist, was den Realismus, den man den Hauptfiguren durch ihre begrenzten Kampfkünste aufstreicht, wieder abklopft.

Obschon man sich gern auf Al einlassen möchte, nervt die Kiddie-Wortwahl. Der Autor sollte sich überlegen, welche Zielgruppe er ansprechen möchte, denn die Kiddies werden älter, und Jargon ist kein Garant dafür, das Publikum dauerhaft zu fesseln, erst recht nicht in der aktuell schnelllebigen Zeit. The Sense of Wonder sollte wichtiger sein als viel „Kacke“.