Peter McLean: Priest of Lies - Der Kampf um den Rosenthron 2 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 15. April 2021 23:24

Peter McLean
Priest of Lies
Der Kampf um den Rosenthron 2
(Priest of Lies. The War of the Rose Throne, 2019)
Übersetzung: Jochen Schwarzer
Hobbit Presse, 2021, Paperback, 462 Seiten, 17,00 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Karl E. Aulbach
Um es gleich vorweg zu schicken: „Priest of Lies“ von Peter McLean ist ein wahnsinnig spannender Pageturner. Selten hat man die letzten Jahre ein Buch gelesen, das derart zu fesseln vermochte. Die etwas ernüchterte Betrachtung nach Ende der Lektüre wirft die Frage auf, warum dies so ist. Im Prinzip handelt es sich um den zweiten Band eines Mehrteilers; „Der Kampf um den Rosenthron“ ist der völlig verfehlte Serientitel. Wie das bei einem Mittelband so ist, bleiben auch hier am Ende mehr Fragen offen, als beantwortet werden.
Der Bandenchef Thomas Piety wird, wie im ersten Teil („Priest of Bones“) nachzulesen ist, von einer Geheimagentin der Krone, die ihn zu Tarnungszwecken kurzerhand geheiratet hat, gesteuert. Es gelingt ihm, sich einige rivalisierende Banden einzuverleiben; andere gehen mit dem Westteil der Stadt an die von einem ausländischen Geheimdienst gelenkten Rivalen. Seine Frau schleppt ihn schließlich mit in die Hauptstadt, wo er in höfischen Kreisen vorgestellt wird und das etwas feinere Spiel um die Macht studiert. Nach vielen sehr abwechslungsreichen Erfahrungen und Erkenntnissen geht es zurück nach Ellinburg, wo die Lage mittlerweile eskaliert.
Interessieren würde den Leser sehr, inwieweit der Autor, der in einem schlechten Viertel in Norwich aufgewachsen ist, eventuell autobiographische Erfahrungen verarbeitet hat. Die Beschreibungen sind überaus brutal. Die Gewalttätigkeit ist geradezu abstoßend, sodass es ein Kunststück ist, dass der Autor dennoch eine gewisse Sympathie für die Hauptfigur erzeugen kann. Das hängt wohl damit zusammen, dass zum einen innerhalb der Bande eine gewisse Gangster-Ehre mit fast schon familiären Zügen plakatiert wird (die allerdings wohl auch in der Realität nicht allzu belastbar wäre) und zum anderen Piety jeden Widerstand und jedes Aufbegehren zwar ohne zu zögern mit härtesten und abscheulichen Mitteln niederknüppelt, zum anderen aber in seinem Stadtteil eine gewisse Wohlfahrt betreibt, womit er ein diffuses Zusammengehörigkeitsgefühl gegenüber Außenstehenden fördert.
Zum Verständnis für den Verbrecherfürsten trägt sicher bei, dass Peter (Piety!) McLean auch Passagen der Reflektion einfügt, die auf schwere psychische Schäden infolge von traumatischen Kriegserlebnissen hinweisen, was die Betroffenen jedoch nicht daran hindert, bei jeder Gelegenheit in den Schlachtenkoller und in einen bestialischen Blutrausch zu verfallen. Piety der, mangels Alternativen, während des Krieges formlos zum Militärgeistlichen ernannt wurde, nimmt danach seinen Leuten in dieser Funktion die Beichte und dadurch einen Teil der Schuld ab. Was sich jetzt nach einem blasphemischen Schauspiel anhört, wird sehr ernsthaft und feinfühlig beschrieben und trägt dazu bei, dass der Charakter nicht nur als Haudrauf sondern als vielschichtige Persönlichkeit empfunden wird.
Der Klappentext, wonach Piety sich „entscheiden muss, ob er ein Kämpfer für die kleinen Leute ist, oder eben nur ein Lügenpriester“, ist leider daneben beziehungsweise wird vermutlich wohl erst in einem dritten Band eine Rolle spielen. Was in erster Linie passiert, ist, dass Piety als Pragmatiker beschrieben wird, der das, was, seiner Ansicht nach, getan werden muss, mit brutaler Härte durchsetzt und dass er außer Gewalt nur wenige Mittel kennt, seine Ziele zu erreichen. In der Hauptstadt hat er gelernt, dass auch die Königin nur ein größerer Bandenchef ist. Soweit, dass er begreift, dass es auch noch andere Möglichkeiten gibt, eine Stadt oder ein Land zu regieren, ist Piety am Ende des Bandes (noch) nicht.
Spannend dürfte sein, ob Peter McLean seine Figur in einer Fortsetzung in diesem Sinne weiterentwickelt. Um auf die Frage am Beginn zurück zu kommen: Genau diese angedeutete und sich ganz langsam immer mehr vollziehende Entwicklung macht die Figur so reizvoll.
Schade ist, dass auch hier wieder auf eine deutsche Übersetzung des Titels verzichtet wurde. Normalerweise sollte man solche Titelgebungen, die grundsätzlich auf ein schlechtes Lektorat schließen lassen (vergleiche auch die obigen Ausführungen zu Untertitel und Klappentext), boykottieren. Das ist glücklicherweise bei Klett-Cotta, einem der renommiertesten deutschen Verlage, absolut unüblich. Man kann nicht auf der einen Seite zum Beispiel für die tibetische Kultur eintreten und auf der anderen mit solch geistloser Originaltitulierung eine verblödete Multikulti-Einheits-Kultur auf niedrigster Sprachschatz-Basis fördern.
Eine Übersetzung ist in vielen Augen ein eigenständiges Kunstwerk. So mancher bekannte Autor würde in der deutschen Fassung keinen Stich machen, wenn er an einen schlechten oder unkreativen Übersetzer geraten wäre. „Mozart für Marsianer“ ist mit Sicherheit keine wörtliche Übersetzung, aber sie nimmt auf so geniale Weise den Geist von Philip K. Dicks Buch auf, dass die Übersetzerleistung als unsterblicher Geniestreich in die Geschichte der Phantastischen Literatur eingeht. Dass so was auch für den Absatz von Büchern förderlich ist, sollte man beim Verlag mal überdenken. Man darf sich ziemlich sicher, dass dem guten Übersetzer Jochen Schwarzer auch ein passender deutscher Titel eingefallen wäre.