Lou Bihl: Ypsilons Rache (Buch)

Lou Bihl
Ypsilons Rache
Unken, 2021, Hardcover, 288 Seiten, 20,92 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

Die 1951 in Freiburg geborene Lou Bihl ist Ärztin und Verfasserin zahlreicher Artikel und Buchbeiträge, hat sich aber mittlerweile aus dem Berufsleben zurückgezogen. Durch die Betreuung zahlreicher Tumorpatienten erhielt sie interessante Einblicke in deren Gefühls- und Gedankenwelt. Das Thema in „Ypsilons Rache“ ist aber ein gänzlich anderes.


Kristian Starck, seines Zeichens Pathologe und Professor, will mit 55 Jahren eigentlich sein Sabbatjahr genießen, reisen, ein Buch schreiben und nicht zuletzt endlich etwas anderes in Angriff nehmen, was ihn schon seit seiner Jugend beschäftigt: Die Verwandlung in eine Frau.

Doch sein Körper scheint etwas dagegen zu haben - die Diagnose Prostata-Krebs wirft ihn zurück. Dennoch beschließt er, seine Pläne nicht umzuwerfen und die Orte aufzusuchen, die ihm wichtig sind, um endlich auch sein Coming-out zu wagen. Das Unterfangen wird schon bald zu einer Tour de Force, die ihn mehr als einmal bis ins Mark erschüttern wird.


Trans*menschen werden sich sicherlich fragen, ob eine Frau ein Buch über sie schreiben kann, aber Lou Bihl bringt ganz offensichtlich das nötige Vorwissen und Fingerspitzengefühl mit, hat auch mit Vielen gesprochen, die diesen Weg gegangen sind.

Das Besondere an dem Buch ist nun, dass seine Hauptperson ein „gestandener Mann“ ist, der in seinem Beruf alles erreicht hat, was er wollte, sogar eine Familie und Enkel hat. Seinen Wunsch eine Frau zu werden, hat er nie aufgegeben - auch wenn ihm ausgerechnet die typischste aller Krebsarten einholt. Und auch jetzt will er seinen Weg weiter gehen und endlich offen dazu stehen, was auf interessante Art und Weise umgesetzt wird. Die unterschiedlichen Reaktionen sind lebensnah umgesetzt, ein bisschen Drama sorgt zudem für Spannung.

Und nicht zuletzt tritt nach einer langjährigen Freundin und Vertrauten nun auch noch eine andere Persönlichkeit in sein Leben, die den Weg schon gegangen ist, was das Buch zusätzlich interessant macht, denn es zeigt, wie unterschiedlich jeder an so ein ernstes Thema herangeht.

Das Alter des Protagonisten macht deutlich, dass nicht nur junge Leute den Wunsch haben, das andere Geschlecht anzunehmen, sondern auch Menschen, von denen man es nicht erwartet - die beruflich und familiär halbwegs erfolgreich sind und eigentlich zufrieden sein könnten.

Das Einzige was die Autorin ausklammert ist der lange, anstrengende und steinige Weg, den Trans*menschen gehen müssen, um ihr Ziel zu erreichen. Aber das ist auch nicht schlimm - das Buch beschäftigt sich mit der ersten Etappe des Weges und sorgt schon jetzt dafür, das man über so Manches nachdenkt.

Zudem ist das Buch flüssig geschrieben, gut zu lesen und bietet auch Momente zum Schmunzeln, in denen die Hauptfigur einfach nur seine Schwächen auslebt und sich dann erst mal wieder berappeln muss.

„Ypsilons Rache“ beschäftigt sich mit einem spannenden Thema und setzt es so feinfühlig um, dass vielleicht auch die Gruppe um die es geht, Spaß daran haben kann. Die Geschichte gibt jedenfalls interessante und auch nachdenkenswerte Einblicke in das Leben eines Trans*menschen, der noch ganz am Anfang seines Weges steht.