Neil Gaiman Bibliothek 1: Eine Studie in Smaragdgrün (Comic)

Neil Gaiman Bibliothek 1
Eine Studie in Smaragdgrün
(A Study In Emerald, 2018)
Vorlage: Neil Gaiman
Adaption: Rafael Albuquerque, Rafael Scavone
Titelbild & Zeichnungen: Rafael Albuquerque
Übersetzung: Jens R. Nielsen
Dantes, 2020, Hardcover, 92 Seiten, 22,00 EUR

Rezension von Elmar Huber

Unter Beachtung strengster Geheimhaltung bittet Inspektor Lestrade von Scotland Yard einen gewissen beratenden Detektiv aus der Baker Street 221b um seine Dienste. Ein Fall der „die über uns“ betrifft. Der Lieblingsneffe der Königin Gloriana Victoria wurde ermordet, der Tatort ist getränkt in seinem grünen Blut. Nach einigen Nachforschungen ist der Detektiv sicher, dass die „Restaurationisten“ hinter der Tat stecken, eine Gruppe Anarchisten, die die Zeit zurückdrehen will. Zu einem Punkt, bevor sich die Großen Alten 700 Jahre zuvor aus dem Meer erhoben und sich die Menschheit untertan gemacht und damit Wohlstand und Zufriedenheit gebracht haben.

 

Es handelt sich bei „Eine Studie in Smaragdgrün“ zweifellos um eines der Meisterstücke unter Neil Gaimans („American Gods“) Kurzgeschichten (auf Deutsch unter anderem in „Schatten über Baker Street“ und „Die Messerkönigin“). Auf ausnehmend elegante Weise hat er hier H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos mit der Geschichte um Sherlock Holmes zusammengegossen und sogar weitergesponnen, was in einer solchen Welt möglich wäre.

Alle großen Königshäuser dieser fiktiven Erde stehen unter der Hoheit eines der Großen Alten, die sich nur mehr oder weniger grün sind, gar nicht so verschieden von einer weltlichen Herrschaft. Es gibt also auch einen grandiosen Humor in dieser Geschichte, der an vielen Stellen durchblitzt.

Doch das ist Neil Gaiman nicht genug, denn die wahre Meisterschaft der Erzählung zeigt sich erst im letzten Akt. Dabei führt er den Leser, der zu gefesselt ist, alle Aspekte dieses Crossovers zu erfassen, von Anfang an auf grandiose Weise an der Nase herum und liefert als Kür plötzlich einen fundamentalen Twist und damit eine doppelte literarische Alternativwelt.

Damit wird gerade die Comic-Adaption von „Eine Studie in Smaragdgrün“ zu einer Art Cousin von Warren Ellis‘ „Äthermechanik“, das passenderweise auch im Dantes Verlag erschienen ist.

Rafael Albuquerque („American Vampire“) zeichnet neben der Adaption auch für die Bilder verantwortlich, die, im Zusammenspiel mit Dave Stewarts Kolorierung, auf kunstvolle Art eine düster-romantische Version des viktorianischen Zeitalters auferstehen lassen, vergleichbar mit den frankobelgischen Comic-Alben um Sherlock Holmes aus dem Splitter Verlag.

„Eine Studie in Smaragdgrün“ ist als edles Hardcover im Format 19 x 28 cm erschienen, etwas zwischen Paperback- und gewohnter Album-Größe.

Der angesprochene Humor findet sich auch in den fiktiven Werbungen für zum Beispiel Victors (Frankenstein) Fluidum, das Tote wiedererwecken könnte, Jekyll’s Powder, mit dem man sein wahres Ich zu befreien vermag, oder V. Tepes‘ Aderlässe, die jedes Kapitelvorblatt des Bandes schmücken. Großartig!

Vorbildlichen Leser-Service liefert wieder Übersetzer Jens R. Nielsen mit der Erklärung vieler Feinheiten und Insider-Anspielungen, die mehr oder weniger gut übersetzt werden können.

„Eine Studie in Smaragdgrün“ ist eine hervorragende Comic-Adaption einer grandiosen Cthulhu- / Sherlock-Holmes-Mash-up-Story. Passend im schmucken Hardcover.