Carlton Mellick III: Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht (Buch)

Carlton Mellick III
Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht
(Every time we meet at the Dairy Queen, Your Whole Fuckin Face Explodes, 2016)
Übersetzung: Manfred Sanders
Titelbild: Richard Louprasong
Festa, 2020, Hardcover, 156 Seiten, 18,99 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Ethan ist einer der Jungs, die in der Schule immer gehänselt werden. Die Raufbolde suchen sich ihn aus, um zu beweisen, ach wie toll sie sind, wenn sie andere verprügeln; die Mädchen lachen über den unsicheren Tollpatsch. Doch eines Tages ändert sich für Ethan alles. Im Schulbus setzt sich das seltsamste Mädchen der ganzen Schule neben ihn. Sie sprechen nicht miteinander, aber jeder der Beiden freut sich Tag für Tag darauf, den anderen zu sehen. Über Zettel wird, da ein Gespräch viel zu gefährlich wäre, näherer Kontakt aufgenommen, dann wird auch mal Händchen gehalten.

Auch wenn die Mitschüler sich über die zwei frisch Verliebten lustig machen, wenn Spiderweb, wie das Mädchen (das offensichtlich eine Zuneigung zu Spinnen gefasst hat und jede Menge der possierlichen Tierchen auf sich rumkrabbeln lässt) genannt wird mehr als seltsam ist, die Love Story in the Making ist anrührend. Beim ersten Date in der Eisdiele passiert es: Als Ethan seine Braut in spe küssen will, explodiert ihr Gesicht! Nicht schlimm, lässt sie ihn wissen - am nächsten Tag kommt sie, von ihrem Vater frisch transplantiert, wieder in die Schule.

Als Ethan der Familie vorgestellt wird, ist die Zukunft vorgezeichnet - verlieben sich Frauen aus dem Geschlecht doch nur einmal im Leben. Dafür aber bis ans Ende ihrer Tage. Und als der Rüpel vom Dienst einmal mehr Ethan mobbt und angreift, drehen der Junge und sein Girlfriend durch - Spiderweb explodiert ins Gesicht des Angreifers, die Familie inklusive des jungen Galans muss, angesichts eines toten Schülers auf dem Boden des Schulklos, fliehen…


Carlton Mellick III hat die Bizarro Fiction quasi im Alleingang erfunden. Seine Bücher sind seltsam, ungewöhnlich, merkwürdig, anders. Dies zeigt sich auch in seiner fünften Festa-Veröffentlichung.

Zunächst stellt er uns, lässt man die Umstände einmal zunächst außen vor, eine ergreifende Liebesgeschichte vor. Zwei Underdogs, zwei von ihren Mitschülern ausgegrenzte und gehänselte Heranwachsende finden sich, schöpfen Kraft aus ihrer merkwürdigen, von Schüchternheit geprägten Beziehung, um der rauen Alltagswelt der Schule zu begegnen. Hier gibt es ergreifende kleine Szenen, die von der aufblühenden Zuneigung berichten, können wir Leser die Gefühle, die sich in ihnen regen, die Hoffnung aber auch die Angst enttäuscht zu werden, gut nachvollziehen.

Aber Mellick wäre nicht Mellick, wenn es dabei bliebe. Menschen, die bei emotionaler Erregung explodieren, denen das Gesicht förmlich vom Schädelknochen fliegt, das hat man, das habe ich so noch nirgends gelesen. Ab da wird es - bizarr. Eine Familie stellt sich vor, in der das Transplantieren zum Alltag gehört, in der merkwürdige Wesen gezüchtet werden, um jederzeit Nachschub an Haut zu haben - das ist als Idee schon merkwürdig verstörend.

So ist dieser Kurzroman ein ambivalenter, aber fesselnder Text. Einerseits eine anrührende Liebesgeschichte, andererseits ein merkwürdig gruseliger Bericht über Menschen, die anders sind und sich damit arrangiert haben. Ein echter Mellick III eben.