Alaya Johnson: Moonshine – Stadt der Dunkelheit (Buch)

Alaya Johnson
Moonshine – Stadt der Dunkelheit
(Moonshine)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Christian Meyer
Titelillustration von Gettyimages
Knaur, 2010, Taschenbuch mit Klappebroschur, 426 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-426-50716-2

Carsten Kuhr

Willkommen im New York der 20er Jahre. Na klar, Sie kennen das aus einschlägigen Romanen und Filmen – es ist die Zeit des Jazz, der Josephine Baker und der Prohibition. Frauen dürfen durch den tatkräftigen Einsatz der Suffragetten tatsächlich mit 23 Jahren wählen, das organisierte Verbrechen verdient sich am Schmuggel und dem Ausschank des verbotenen Hochprozentigen dumm und dämlich.

Eines aber sollten Sie im Vorfeld unbedingt auch noch wissen – in Johnsons New York tummeln sich Wiedergänger, Dämonen und Vampire – letztere haben als Paten der Mafia die Stadt unter sich aufgeteilt. Ihre grünen Scheine schmieren nicht nur die Polizei, sondern auch die Politik und die Schönen und Reichen.

Vorhang auf für unsere Protagonistin. Zephyr Hollis ist aus Montana in den Osten umgezogen, um endlich aus ihrem zu dominierenden Elternhaus auszubrechen. Ihr Vater, der erfolgreichste Dämonenjäger, will, dass sie in seine Fußstapfen tritt, doch Zephyr hat ganz andere Pläne. In New York hat sie sich als singende Vampirrechtlerin einen Namen gemacht. Ihre geheime Liebe zum Jazz verschafft ihr ein Engagement in einem der vielen illegalen Nachtclubs, ansonsten bringt sie Vampiren Lesen und Rechnen bei, engagiert sich in Frauen- und Bürgerbewegungen und hilft den Armen. Letzteres trifft sie, die finanziell nicht eben auf Rosen gebettet ist, dieses Mal besonders hart. Die Miete wird fällig, und essen sollte unsere Vegetarierin aus Überzeugung auch noch. Als sie in einer Gasse einen Jungen findet, der gerade zum Vampir gewandelt wurde, ahnt sie noch nicht, dass dies der Auftakt zu einer gefährlichen Jagd wird. Ein Schüler von ihr, ein Dschinn, beauftragt sie, den lokalen Mafia-Paten ausfindig zu machen, der ihm etwas entwendet hat. Neben der monetären Bezahlung fasziniert sie auch die besondere Ausstrahlung des Dschinnp-Prinzen. Als eine neue Vampirdroge, Faust genannt, die Stadt überschwemmt und in Chaos stürzt, weiß sie, dass sie nicht mehr viel Zeit hat, den Vampir-Paten zu finden, bevor es wirklich schlimm wird ...

Die goldenen 20er – was für Bilder manifestieren sich bei diesem Begriff unwillkürlich im Kopf. Charleston, Federboas, Gangster in Gamaschen und mit Maschinenpistolen – Vergnügungssucht und bitterste Armut Tür an Tür. In diese faszinierende Kulisse hat die Autorin ihre ganz ungewöhnliche Heldin gesetzt. Eine junge Frau begegnet uns, eine Frau mit Prinzipien, emanzipiert, mutig und doch auch verletzlich, so kommt uns Zephyr entgegen. Durch ihre neugierigen Augen werfen wir dann einen Blick auf die übernatürliche Gesellschaft, die bekannter und geachteter Bestandteil der offiziellen Welt ist. Seien es die Blutbanken, die die Vampire, gegen klingende Münze versteht sich, mit echtem Menschenblut versorgen, die Feen, die die High Society anführen, oder die Vampirgangs, die die Slums unter sich aufgeteilt haben, die Welt bietet sich interessant und faszinierend an. Unsere Heldin selbst ist mit einem gehörigen Maß an Selbstironie unterwegs. Voller gutmütigem Spott und Humor beschreibt unsere Ich-Erzählerin ihre Welt, die Suche nach dem Mafia-Boss und nicht zuletzt, wenn auch sehr dezent, die erotische Anziehungskraft, die von dem Dschinn ausgeht. Als sturer Trotzkopf kommt sie uns so manches Mal daher, aber eben auch als liebenswerte Person, die bereit ist, für andere alles zu geben, bis hin zur Selbstverleugnung und ohne jegliche Erwartungshaltung ihrerseits.

Inhaltlich bietet sich der Roman als gelungene Mischung aus Urban Fantasy im New York der 20er Jahre und einer spannend aufgezogenen Detektivgeschichte dar, der von seinen interessanten Personen lebt und den Leser mit vielen unerwarteten Wendungen an die Seiten fesselt.