Dave Duncan: Die Jägersschenke (Buch)

Dave Duncan
Die Jägerschenke
(The Hunter’s Haunt)
Aus dem kanadischen Englisch übersetzt von Michael Krug
Titelillustration von Shutterstock
Bastei-Lübbe, 2010, Taschenbuch, 396 Seiten, 8,99 EUR, ISBN 978-3-3404-20626-1

Carsten Kuhr

Im zweiten von insgesamt vier Romanen um den Geschichtenerzähler Omar – oder Homer, wie er mancherorts genannt wird – stehen nicht etwa die charismatischen Helden im Kampf um Macht und Ehre im Zentrum der Erzählung. Nein, ein kleiner, unauffälliger Beobachter, der von den Göttern immer wieder an die Brennpunkte des aktuellen, machtpolitischen Geschehens entsandt wird, um die Ereignisse zu bezeugen und publik zu machen, ist unser Erzähler.

Omar ist ein eigenwilliger Held – soweit dieser Ausdruck auf ihn überhaupt zutrifft. Nicht groß, nicht klein, eher zäh als stark, gewitzt und mit allen Wassern gewaschen, dem holden Geschlecht ebenso zugetan wie den lukullischen Genüssen oder dem Hochprozentigen, hat er sich mit seiner Rolle als ewiger Chronist erst abgefunden, später dann angefreundet. Es gibt kaum etwas, das er nicht gesehen, bei dem er noch nicht Zeuge war. So erträgt er seine Versklavung zur Beginn des ersten Romans mit Fassung, weiß er doch aus langjähriger Erfahrung, dass sich das Blatt nur allzu bald wenden kann, und die Götter für die Sicherheit ihres Beobachters zu sorgen wissen.

Im zweiten Teil verschlägt es unseren Barden mitten im Winter in eine einsame und abgelegene Herberge. Dumm nur, dass er sich vor rund einem Jahr ausgerechnet hier auf französisch verabschiedet hat, und der Wirt vom nachtragenden Typ ist. Als Buße soll er, nach einer körperlichen Züchtigung und seiner Kleider entledigt, dem bitterkalten Schneesturm ausgesetzt werden. Doch Omar wäre nicht der Welt bedeutendster Geschichtenhändler, könnte er sich nicht mittels seines Mundwerks aus fast jeder Bredouille retten. Er bietet einen Geschichtenwettbewerb an, der Preis, sein vorläufiger Verbleib in der warmen Gaststube. Vor den Augen und Ohren der Gäste lässt er die Geschichte des Reiches Verlia Revue passieren. Über die Jahrhunderte hat ein Barde namens Omar die wechselhaften Geschicke des Landes begleitet. Der erste Aufstieg des Reiches der hundert Götter, die Demokratisierung der 7 Städte, die Eroberung des Landes durch die Pferdereiter und der anschließende Befreiungskampf nehmen in den abenteuerlichen Geschichten Gestalt an. Doch werden die Geschichten Omars genügen sein Leben zu retten, und woher nur weiß Omar so genau über Geschehnisse Bescheid, die Jahrhunderte zurückliegen? Ist er selbst unsterblich, ein Gott oder nur ein ausgekochtes Schlitzohr?

Dave Duncan ist ein alter Hase im Geschäft. Er weiß, wie er seine Leser auf die Angel nehmen kann, was seine Fans fasziniert. Dabei vermeidet er geschickt allzu ausgetretene Pfade zu beschreiten, oder sich selbst zu wiederholen. Mit Omar hat er einen ungewöhnlichen Protagonisten geschaffen. Bis zum jeweiligen Finale bleibt unklar, ob Omar nur wirklich der unsterbliche Zeuge der Götter ist, oder nur der Welt überzeugendste Lügner. Ganz im Gegensatz zu Duncans sonstigen Erfolgswerken ist Omar nicht der junge, strahlende Held, der sein Glück sucht und macht, sondern eine Gestalt, die im Hintergrund steht, die selten selbst eingreift, die observiert und pointiert und unterhaltsam zu erzählen weiß. Dabei ist Omar bekennender Egoist. Er sucht – und findet – die Nähe der holden Weiblichkeit, genießt die Freuden des Lebens aus vollen Zügen. Nie aber ist er ein wirklich verlässlicher Freund oder Unterstützer der jeweiligen Helden. Diese sind selbst gefordert für ihr Glück zu sorgen, und so manches Mal wird selbst unser wackerer Chronist von der Ereignissen und Entwicklungen überrollt und verblüfft.

Dieser ungewöhnliche Blickwinkel aus dem die Handlung berichtet wird, die Lebensweisheiten über egozentrische Menschen und verlässliche Götter oder umgekehrt, die insbesondere der zweite Episoden-Roman für uns bereithält, machen das Buch zur amüsanten, mitunter urkomischen, dann wieder anrührenden Lektüre gespickt mit Lebensweisheiten und einer gekonnt vielfältigen Personenzeichnung.