John H. Watson & David Gray: Sherlock Holmes: Das Grab der Molly Maguire (Buch)

John H. Watson & David Gray
Sherlock Holmes: Das Grab der Molly Maguire
Eine Studie in Angst 2
2014, Paperback, 272 Seiten, 9,96 EUR, ISBN 978-1-505-60991-2

Rezension von Elmar Huber

„Was er berichtete, war so grauenhaft und gespenstisch - keiner von uns zweifelte auch nur einen Augenblick daran, dass es der Wahrheit entsprechen musste. Kein Mann, der halbwegs bei Verstand war, hätte sich solche Dinge und Ereignisse auszudenken vermocht, von denen Bliss erzählte.“

Zwei Jahre nachdem die Leiche von Mary Jane Kelly, dem letzten bekannten Opfer von Jack the Ripper, in einem Zimmer in Miller’s Court gefunden wurde, wird ganz in der Nähe eine weitere, grausam verstümmelte Tote entdeckt. Da der Ripper nie gefasst wurde, gehen Polizei und Presse von einer neuen Tat des Rippers aus.

Holmes und Watson konzentrieren sich indes auf die Tatsache, dass die Tote erstens nicht am Fundort ermordet, sondern die Leiche absichtlich dort platziert wurde und zweitens bereits ein - noch dazu kostspieliges - Totenhemd trägt. Dazu passt die Tatsache, dass auf den Highgate Friedhof das Grab einer gewissen Molly Maguire geschändet wurde.

Die Öffnung des Sarges bringt nicht nur ans Licht, dass es sich bei Ms Maguire um das vermeintliche Ripper-Opfer handelt, sondern außerdem die zertrennten Leichen dreier Männer, die man in dem Grab verschwinden lassen wollte. Keltische Tätowierungen an den Leichen, sowie der falsche Name, der für die Beerdigung gewählt wurde, bringen Holmes und Watson auf die Spur eines irischen Geheimbundes. Die Fährte führt jedoch noch weiter, und die Freunde treffen auf einen Mann, der sich selbst Rumpelstilzchen nennt und der - so Holmes‘ Überzeugung - die Unterweltaktivitäten in London und möglicherweise sogar in ganz Europa lenkt.

„Zu meinen Füßen lag in einer Spirale aus Gedärm ein Teil einer menschlichen Lunge. Der Darm, der sich in vier Windungen darum wand, lief zu einer geöffneten Bauchhöhle. Einige Fuß daneben entdeckte ich einen fahlen Fleck auf dem Pflaster, der sich bei näherer Betrachtung als Brust herausstellte. Nicht weit davon lag eine abgetrennte menschliche Hand. Drei, vier Schritt weiter entdeckte ich - endlich - die Überreste einer Frau im feuchten Schmutz des Hinterhofs.“


War schon David Grays Vorgänger-Roman „Der Geist des Architekten“ ein außerordentlich gut gelungenes „Sherlock Holmes“-Abenteuer, so legt „Das Grab der Molly Maguire“ nochmal eine gehörige Schippe zu, und das nicht nur in Umfang und Länge. Angefangen von dem seltsamen Leichenfund, hinter dem man zunächst das Wiederauftauchen von Jack the Ripper vermutet, bis zum atemlosen Ende, an dem die Ahnung einer schwelenden Gefahr über London und ganz Europa schwebt, treibt David Gray den Meisterdetektiv und seinen treuen Freund und Begleiter auf eine Tour de Force durch London, dass dem Leser hören und sehen vergeht. So ist es alles andere als selbstverständlich, dass es David Gray gelingt, seine Hetzjagd, die auf ihrem Weg noch einige Haken schlägt, durchgehend flüssig und nachvollziehbar zu inszenieren.

Gegenüber Teil 1 der „Studie in Angst“, wie der Autor selbst seine auf drei Bände angelegte „Sherlock Holmes“-Reihe nennt, ermitteln Holmes und Watson hier in einem merklich raueren und brutaleren Umfeld, so dass das Duo gezwungen ist, bisweilen mit ebensolcher Härte zu agieren. Damit wirkt „Das Grab der Molly Maguire“ so, als hätte Guy Ritchie seinen „Sherlock Holmes“ für ein ausschließlich erwachsenes Publikum drehen dürfen. Grundsätzlich bleibt der Roman den Figuren und dem viktorianischen Zeitkolorit treu, doch hat man den Helden eine gehörige Adrenalinspritze verpasst.
 
Der einzige Wermutstropfen der vorliegenden Printversion ist auch hier wieder die amateurhafte Covergestaltung und das unvorteilhafte Schriftbild, das mit einer serifenlosen Schrift und zu kleinen Buchstaben beziehungsweis zu großen Zeilenabständen das flüssige Lesen schwer macht.

David Gray wendet die Regeln des modernen Psycho-Thrillers auf die klassischen Figuren Sherlock Holmes und Dr. Watson an und bleibt ihnen dennoch treu. Damit ist „Das Grab der Molly Maguire“ ein herausragender Beitrag der aktuell inflationären Schwemme an neuen „Sherlock Holmes“-Veröffentlichungen.