Heinz J. Galle: Volksbücher und Heftromane - Band 3 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 04. März 2020 07:24

Heinz J. Galle
Volksbücher und Heftromane - Band 3
Verlag Dieter von Reeken, 2020, Paperback, 350 Seiten, 20,00 EUR, ISBN 978-3-945807-50-7
Rezension von Carsten Kuhr
Mit vorliegendem Band schließt der Verlag die überarbeitete Neuauflage der Abhandlung über Volksbücher und Heftromane aus der Feder des Sammlers und Kenners Heinz J. Galle ab. Dieses Mal widmet sich der Verfasser der chronologisch am weitesten zurückliegenden Ära der Publikationen.
Das Feld der beschriebenen Druckerzeugnisse wandelt sich vom Schwerpunkt utopisch-phantastisches Abenteuer hin zum Kolportage-Roman zwischen 1855 und 1905, und Heinz J. Galle hat kaum persönliche Bezüge zu den beschriebenen Reihen beziehungsweise Romanen. Er bemüht sich redlich und auch gut flüssig lesbar, uns die Inhalte nahezubringen, es fehlt aber das was die bisherigen Texte Galles in so besonderem Maße ausgezeichnet hat: die persönlichen Anekdoten, die mitreißenden Berichte über Personen, Funde und Entdeckungen. Auch liegen kaum mehr Exemplare der beschriebenen Serien vor - das schlechte Papier, zwei Weltkriege und eine kaum existierende Sammlerszene haben hier den Zugang zur Materie erschwert.
Chronologisch beginnt Galle mit den Bänkelsängern und den auf Jahrmärkten vertriebenen Moritatenheften. Hier geht er auch auf die gesellschaftlichen Veränderungen ein. Mit Aufkommen der industriellen Revolution und der damit verbundenen Bildung größerer Bevölkerungsschichten, ermöglichte diese erst den schwungvollen Handel mit den Fortsetzungsheften. Die vielen dem Band beigegebenen Abbildungen verdeutlichen hier die Ausführungen des Autors.
Neben den Tragödien und ersten Abenteuer-Titeln waren es auch die Reise-Romane, die ihren Lesern einen Einblick darin vermittelten, wie es in der Welt aussah. Erst mit Aufkommen der Eisenbahn und damit der Mobilität breiter Bevölkerungsschichten, wurden Berichte, Erzählungen und Romane zunehmend gedruckt und verkauft. Interessant dabei, dass zum Beispiel Reclam an Bahnhöfen Automaten aufstellte, aus denen der Käufer ohne vorher zu wissen was für ein Werk er erwerben würde, ein Büchlein für 20 Pfennige quasi blind kaufen konnte. Auch das Aufkommen von Bahnhofsbuchhandlungen - zunächst Bauchläden, dann abschließbare Karren bis schließlich die Händler in feste Wände zogen -, wird beleuchtet.
Im weiteren Verlauf geht Galle auf Theater-Texthefte ebenso ein, wie auf Witzblätter und die etwas schlüpfrige Literatur, bevor er sich den Collectionen und mit diesen den ersten Western und Krimis widmet. Die Herausgeber haben hier nur zu bald das Potential Heranwachsender als Kunden erkannt, feuerten, wie ihre Vorgänger bei den Kolportage-Romanen mit Preisausschreiben die Kaufsucht an.
Im Bereich des Kolportage-Romans weiß der Autor dann wieder intimer zu berichten. Die Woche für Woche der arbeitenden Bevölkerung zumeist an der Hintertreppe verkauften Lieferungshefte bediente die Sensationslust und das Fernweh der Leserinnen und Leser gleichermaßen. Raub. Mord, Gewalt waren die vorherrschenden Themen, an denen hauptsächlich die Verleger und weniger die Verfasser sehr gut verdient haben. Dass die Leser hier einen gigantischen, auf 100 oder 200 Teile zerstückelten Roman vorgesetzt bekamen, war letztlich der Untergang der Kolportage-Romane.
Diese wurde von den ersten Heftreihen abgelöst, die dem Leser versprachen, in jedem Band eine abgeschlossene Geschichte mit zumeist dem titelgebenden Helden zu präsentieren.
Auch Frauenromane werden gestreift, wobei sich erstaunlich viele bekannte Heftschriftsteller, unter Pseudonym versteht sich, ein Zubrot verdienten. Hier geht Galle auf Verlage und deren Geschichte näher ein, präsentiert auch ein paar kaum bekannte utopisch-phantastische Romane innerhalb der Frauen-Editionen.
Zum Abschluss gewährt der Verfasser noch einen kurzen, amüsant zu lesenden Einblick auf sich selbst bevor er den Band mit dem Register und Literaturverzeichnis abschließt.