Kai Meyer: Serafin - Das Kalte Feuer (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 26. Februar 2020 10:59

Kai Meyer
Serafin - Das Kalte Feuer
Merle 4
Titelbild: Jana Heidershof
Sauerländer, 2020, Hardcover, 382 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-7373-5678-7 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Venedig, die Lagunenstadt, die Stadt die schon so viele Träume gesehen, Liebe und Opfer erlebt und deren Untergang so einige Male bevorstand, sie, oder besser gesagt eine ihrer Facetten bildet die erneute Kulisse für die weiteren Abenteuer von Merle und Junipa, dem Mädchen mit den Spiegelaugen.
Eigentlich war ihre Geschichte erzählt - die Geschichte von einer Eroberung, von einem Mann, der zu Lord Licht, dem Herrscher über die Hölle wurde, die Mär von einer Göttin, die in den Körper einer jungen Frau floss und, ja auch die Geschichte von einer tragischen Liebe.
Serafin, der sein Leben gab, um Merle und die Stadt die er im Herzen trug zu retten, ist tot. Doch auf der Suche nach Merles in den Spiegelstädten verschollenem Vater lernen die beiden Freundinnen ein anderes Venedig und einen anderen Serafin kennen.
Venedig, die Stadt in der Lagune, die Stadt der Kanäle und Gondeln - sie versandet zusehends. Immer dann, wenn ein magischer Zauber die Wassermassen einige Minuten, Stunden höchstens zurückhält, schlägt die Stunde der Schlammsammler. Im Schlick der Kanäle suchen sie nach Verlorenem - Reichtümern wie Altmetall, alles was sich zu Geld machen lässt wird mitgenommen.
Auch Serafin sucht, um die Behandlung seiner erblindenden Mutter bezahlen zu können, im Dienst der früheren Göttin Bastet nach Fundstücken. Unterstützt wird er dabei von einer goldenen, fliegenden und etwas vorlauten - ja sie kann sprechen - Katze.
Eines Tages stößt er bei einem Streifzug auf einen im Canale versenkten Spiegel, aus dem ihm zwei junge Frauen entgegenkommen. Merle und Junipa sind auf der Suche nach Merles, das Herz der Stadt suchenden Vater. Verfolgt von Kartographen, einer anderen, bösartigen Merle und den Truppen der Stadt machen sie sich zusammen mit Serafin auf, das Rätsel um das Herz der Welt und um Merles Vater zu lösen.
„Lightning seldom strikes twice“, heißt es so treffend im Englischen. Mit seiner „Merle“-Trilogie (Erstveröffentlichung bei Loewe, Neuauflage bei Carlsen und jetzt bei Sauerländer) hat sich der Autor damals nicht nur in die Bestseller-Listen geschrieben, er hat auch die Herzen seiner Leser erobert.
Die Geschichte um die Lagunenstadt, um die fließende Königin und die tragische Liebe zwischen Merle und Serafin hat inzwischen Generationen von Lesern in ihren Bann gezogen. Die Auflage im deutschsprachigen Raum beläuft sich mittlerweile auf fast eine Millionen verkaufte Exemplare. Dies alleine hätte Meyer aber sicherlich nicht dazu verlasst, sich fast 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung erneut mit dem Topic zu beschäftigen. Wie er selbst berichtet, waren es die anhaltenden Reaktionen und Nachfragen der Leser, die ihn erneut einen Blick auf das weitere Schicksal seiner tragischen Heldin werfen ließ.
Kommen wir zur Frage, ob sich das Wiedersehen gelohnt hat.
Nun, es dauert ein wenig, bis wir mit den neuen, alten Figuren wieder warm werden. Zwar haben auch die altägyptischen Götter in Gestalt von Bastet wieder ihren Auftritt, an Sechmet aber kommt diese nicht heran. Mit den Kartographen und dem Spiegellabyrinth, das die unterschiedlichen Versionen Venedigs verbindet, hat der Autor beklemmende Ideen in seinen Plot eingebracht. Und endlich bekommen wir das Herz der Stadt zu sehen.
Ohne hier zu viel verraten zu wollen, ein wenig enttäuscht war ich da schon. Nein, der Roman bringt uns nicht ein großes Gemälde mit jeder Menge Offenbarungen. Er überzeugt eher im Kleinen: die Darstellung des Labyrinths, das die Versionen verbindet, der Katzenhof der Bastet, die verarmte Version Venedigs mit den vielen Geheimgängen und der deprimierenden Atmosphäre einstigen Glanzes, stehen auf der Haben-Seite.
Dazu gesellt sich, wie wir dies bei Kai Meyer kennen und auch erwarten, natürlich wieder eine zweite Ebene. Hier geht es um die Suche eines Jeden nach dem Woher, wer bin ich, wo will ich hin; es geht um Selbstbestimmung, um Verantwortung, aber auch um das Loslassen von etwas Vergangenem.
Um meine anfängliche Frage zu beantworten: Ja, es hat sich gelohnt, wieder in die Welt von Merle zurückzukehren, wobei es eine etwas unspektakulärere Rückkehr wurde, als ich erwartet hatte.
Ein Buch der leiseren Töne, das Zeit braucht, um seine Wirkung zu entfalten.