M. F. Hakket: Böses Wesen Gier (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 16. Februar 2020 10:33

M. F. Hakket
Böses Wesen Gier
Blutwut, 2019, eBook, 4,99 EUR (auch als Taschenbuch erhältlich)
Rezension von Elmar Huber
„Ihr Menschen macht immer weiter, bis es kein Zurück mehr gibt. Ihr hört nicht auf, wenn es genug ist. Ihr werdet erst wach, wenn euch eure Schuld auf die Füße fällt. Ihr erhebt euch über alles und jeden und glaubt, ihr seid so klug. Dabei hört das dümmste Schwein auf zu fressen, wenn es nicht mehr kann. Und wenn ihr vor Völlerei platzt, macht ihr den Teufel verantwortlich.“
Im 6000-Seelen-Kaff Coppenbroich soll anstelle der leerstehenden alten Beers-Villa, um die sich einige seltsame Gerüchte ranken, ein modernes Spielcasino entstehen. Ein Vorhaben, das die neunjährige Katharina „Kati“ Sandfels auf merkwürdige Weise beschäftigt; ein neugieriger Besuch des brachliegenden Geländes bestürzt das Mädchen über allen Maßen.
Zudem scheint dies der Auslöser für beunruhigende Visionen zu sein, die Kati von da an heimsuchen. Immer wieder erblickt sie ein Mädchen, das ihr zum Verwechseln ähnlich sieht.
Sobald das Casino eröffnet ist, geraten ihre ansonsten vernünftigen und liebenden Eltern in den Bann der dort stattfindenden Spiele. Der Handel mit Aktien und Optionen bestimmt bald das Leben von Thomas und Ingrid Sandfels, deren familiäres und gesellschaftliches Leben binnen kurzem zum Erliegen kommt. Das Dasein der Erwachsenen wird zunehmend von Habsucht bestimmt, von der Jagd nach der nächsten Hausse, und von Enttäuschung und Wut, wenn diese verpasst wurde.
Verzweifelt beginnt Kati zur Vergangenheit des Ortes zu recherchieren und erfährt, dass bereits die alte Villa der Beers einen Anbau hatte, der als Spielhaus genutzt wurde. Ebenso wie die Beers eine Tochter namens Katharina hatten, die Kati wie aus dem Gesicht geschnitten ist.
„Kati war nicht dumm. Ihr Verstand versuchte, ihr klarzumachen, dass es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen den seltsamen Sachen, die seit einiger Zeit passierten, gab. Das alte und jetzt erneuerte Gelände musste damit zu tun haben. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Oder war das alles nur Zufall? Ihre Gedanken glichen feinen Spinnweben, die etwas miteinander verbinden wollten, aber immer wieder rissen.“
Die Genre-Mischung die M. F. Hakket mit „Böses Wesen Gier“ abliefert, ist gar nicht so leicht zu beschreiben. Wild mixt der Autor Drama, Mystery, Coming of Age und Fantasy, und am Ende entsteht aus ganz gewöhnlichen Elementen, die man alle schon mehrmals gelesen hat, ein mehr als ungewöhnliches und packendes Ganzes.
Alles beginnt mit einem Szenario, das an Stephen Kings „In einer kleinen Stadt“ erinnert: die okkulte Vereinnahmung der Erwachsenen einer ganzen Ortschaft, ausgehend von einem Punkt, der bereits in der Vergangenheit den Keim des Bösen getragen hat. Als Kati diesem Ort zu nahekommt, wird etwas in ihr erweckt, Ereignisse beginnen, sich zu wiederholen und es ist zunächst nur klar, dass dem Mädchen eine besondere, schicksalhafte Bedeutung innerhalb der geheimnisvollen Ereignisse zukommt.
Der Aufbau des Romans ist in diesem Punkt geschickt gestaltet, denn lange Zeit wird nicht erschöpfend erklärt, was es mit den beiden Katharinas auf sich hat, deren Geschichten sich parallel entwickeln. Erst nach und nach gibt der Autor Hinweise, durch die man die beiden Handlungsstränge gegenüberstellen und einordnen kann. Fakt ist, dass beide Mädchen im Grunde dasselbe erleben, nämlich dass ihre Eltern - und auch andere Erwachsene - immer mehr von der Gier beherrscht werden und alles andere vergessen.
Diese „Gier“ stellt der Autor als körperloses „böses Wesen“ dar, das die Menschen in seinen Bann zieht, und dem die auserwählte, jugendliche (reine!) Heldin, schließlich mit ‚Fantasy-Methoden‘ zu Leibe rücken muss. Und das ist keinesfalls abwertend gemeint.
Garniert wird die Handlung noch mit typischen Elementen eines Jugendromans. Eine nächtliche Mutprobe findet statt, es kommt zu einer Zerreißprobe zwischen Kati und ihrer Freundin, und überhaupt agieren die Mädchen gänzlich außerhalb der korrumpierten Erwachsenenwelt.
Auch wenn sich das nach einem undisziplinierten Genre-Clash anhört, behält der Autor stets die Zügel in der Hand und macht „Böses Wesen Gier“ in seiner Gesamtheit zu einer runden Sache und darüberhinaus zu seiner ganz eigenen Schöpfung. Den Namen M. F. Hakket sollte man sich unbedingt merken.
Der Roman ist bereits 2018 unter dem Titel „Der Preis, den du zahlen musst“ via Self-Publishing erschienen.
„Böses Wesen Gier“ ist ein außergewöhnlicher Genre-Mix, der erstaunlich gut funktioniert. Beeindruckend!