Dirk van den Boom: Aufgehende Sonne - Kaiserkrieger 7 (Buch)

Dirk van den Boom
Aufgehende Sonne
Kaiserkrieger 7
Titelbild: Timo Kümmel
Atlantis, 2014, Paperback, 286 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-86402-109-1 (auch als Hardcover und eBooks erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

„Er hörte sich die verschiedenen Schilderungen eine Weile an. Von einer Erscheinung war die Rede, einem Boot der Götter, von Männern, die aus einem großen Fisch gestiegen seien, und von zertrümmerten Tempeln, unsichtbaren Waffen, die lautlos und sicher töteten. Normalerweise wäre diese letzte Nachricht etwas gewesen, das ihn beunruhigt hätte - aber diese Geschichten waren so hanebüchen und klangen dermaßen absurd, dass der König sie einfach nicht richtig ernst nehmen konnte.“

Japan 1914: Eine kleine Mannschaft macht sich für die Jungfernfahrt mit dem neuartigen U-Boot ‚Nr. 8‘ bereit. Zur Überraschung der Mannschaft, nimmt auch Isamu, der zweitgeborene Prinz Japans, mit einem Lehrer und zwei Leibwächtern an der Fahrt teil. Der Plan einer gefahrlosen Spazierfahrt für den jungen Prinzen löst sich in Wohlgefallen auf, als das Boot in eine mysteriöse Nebelbank gerät und alle an Bord ohnmächtig werden.

Mittelamerika, 5. Jahrhundert: K’an Chitam, Herrscher über die Stadt Mutal, erwacht nach einer ausschweifenden nächtlichen Feier außergewöhnlich früh. So wird er Zeuge, wie sich im wahrsten Sinne des Wortes der Himmel auftut und ein riesiges Objekt durch den Riss fällt, das direkt auf der Spitze der Grabmalpyramide seines Vaters zu liegen kommt. Die aufsehenerregende ‚Ankunft‘ des japanischen U-Boots wird von den Bewohnern Mutals als Zeichen der Götter gewertet.

Nachdem die Japaner realisiert haben, was passiert ist, wo sie sich befinden und dass sie sich wohl oder übel auf lange Sicht mit der Situation und den Einheimischen arrangieren müssen, erfolgt nach und nach eine zunächst zaghafte gegenseitige Annäherung der beiden Parteien. Während einige der Japaner einen freundschaftlichen Austausch der Kulturen auf Augenhöhe vorziehen, nutzt U-Boot-Kapitän Inugami seinen Status als vermeintlicher ‚Götterbote‘, um im Sinne Japans langfristig auf den lokalen Herrscher einzuwirken und damit auch seine eigene Macht zu stärken. Zu einer ersten Belastungsprobe für das neue, noch fragile Gemeinschaftsgefüge kommt es, als Tatb’u, König der Nachbarstadt Yaxchilan, Mutal mit der Kampfmacht dreier Städte, die er hinter sich vereinigt hat, angreift.

Dank der modernen japanischen Waffen und nahezu ohne Opfer in den eigenen Reihen, kann der übermächtige Feind besiegt werden. Damit festigt sich der überlegene Status der Japaner in Mutal. Kapitän Inugami sieht den japanischen Prinzen schon als seine Marionette auf dem Herrscherthron und schmiedet Pläne, Chitam aus dem Weg zu räumen und ein japanisches Imperium aufzubauen, indem er die Gefangenen zu einer Armee unter seinem Kommando macht.

„Es würde unweigerlich zu Spannungen kommen, und egal, wie überlegen ihre Waffen waren, die Maya waren viel, viel mehr, sie waren keine primitiven Idioten, und sie mochten nicht verstehen, wie die Technik der Götterboten funktionierte, wussten aber mit Selbstbewusstsein, was sie zu erreichen imstande waren. Die Kriegsgefangenen waren demoralisiert und geschockt, sie stellten diese Fragen nicht. Die Bewohner Mutals aber würden irgendwann erkennen, wie gering die Götterboten sie schätzten, was sie sich über Jahrhunderte mit Intelligenz, Kenntnis und Fertigkeit aufgebaut hatten. So würde man auf Dauer nicht mit ihnen umgehen können.“


Mit „Aufgehende Sonne“ startet der zweite Zyklus aus Dirk van den Booms Zeitreise-Abenteuer-Reihe „Kaiserkrieger“. War es in den Bänden 1 bis 6 der deutsche Kreuzer ‚Saarbrücken‘, der kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs auf eine Reise ins Mittelmeer des 4. Jahrhunderts ging, ist es nun ein japanisches U-Boot, das sich unversehens ca. 1500 Jahre in der Vergangenheit und eine halbe Weltreise entfernt auf dem Trockenen wiederfindet. Vorkenntnisse sind für „Aufgehende Sonne“ also nicht notwendig.

Bereits auf den ersten Seiten merkt man, dass Dirk van den Boom ein geübter Autor gefälliger Abenteuer-Romane ist, der mit einer inzwischen erklecklichen Anzahl an Romanen eine fühlbare schriftstellerische Souveränität erworben hat. Gleich zu Beginn werden die Hauptfiguren deutlich und unmissverständlich definiert und charakterisiert.

So verwundert es später kaum, dass der ehrgeizige Kapitän Inugami seinen göttlichen Status nicht nur dankbar annimmt, sondern gleich auch ausbauen will - zum Wohle des japanischen Volks und wenn nötig mit Waffengewalt -, während der Erste Offizier Arotomo Hara und der Bordälteste Yuto Sarukazaki ein eher freundschaftliches Verhältnis anstreben. Eine ausbaufähige Exoten-Rolle kommt dem Briten Robert Lengsley zu, der als Ingenieur mit an Bord ist, da das U-Boot auf britischen Bauplänen basiert.

Schnell wird die Notwendigkeit erkannt, in jedem Fall mit den Eingeborenen ‚auszukommen‘; die zwangsläufige Annährung erfolgt, und über einige Wochen entwickelt sich, begleitet von gegenseitigem Sprachunterricht, eine gute Freundschaft und sogar Vertrautheit zwischen Aritomo und Chitam. Ein Ende dieser ungewöhnlichen Zwangslage ist nicht erkennbar, so dass die Japaner bald immer mehr und immer selbstverständlicher in das Stadtleben integriert sind. Der Sprachunterricht und zwanglose Zusammenkünfte werden zu festen Bestandteilen des Alltags, und auch romantische Beziehungen bleiben nicht aus.

Exemplarisch beschränkt sich Dirk van den Boom natürlich auf die Erlebnisse seiner Hauptfiguren. Ganz abgesehen von den kriegerischen Handlungen, die Spannung in den Roman bringen, baut der Autor durch die verschiedenen Überzeugungen, wie mit der Situation zu verfahren ist, eine zweite, subtilere Spannungsebene auf, die noch weiter zugespitzt werden könnte. Mit Inugamis Plänen von einer gut geführten und trainierten Armee, die er dazu einsetzen kann, Mutals Herrschaftsbereich nach und nach auszudehnen, ist bereits ein Grundstein für den Folgeroman gelegt.

Dirk van den Boom gibt selbst zu, dass er sich in erster Linie als Unterhaltungsschriftsteller sieht und seine Romane der kurzweiligen Zerstreuung dienen sollen. So sind nicht unerhebliche Teile des Romans der schriftstellerischen Fantasie entsprungen, auch wenn der Rahmen von eingehender Recherche zeugt (im Autoren-Blog nachzuschauen, zum Beispiel auf dem „Kaiserkrieger“-Blog). Entsprechend sind auch die Figuren reichlich klischeehaft entworfen, doch jede für sich auch sehr schön greifbar und individuell gestaltet.

Absolut eindrucksvoll ist das Covermotiv von Timo Kümmel ausgefallen, das als Blickfang U-Boot ‚Nr. 8‘ auf der Spitze einer Maya-Pyramide hängend zeigt und damit einen Schlüsselmoment des Romans bildlich wiedergibt, während die Hintergrundgestaltung ein sehr urtümliches look and feel vermittelt.

Sympathischer und origineller Histo-Culture-Clash, der gar nicht mehr sein will als ein unterhaltsamer Abenteuer-Roman. Mission erfüllt!