Stuart Turton: Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle (Buch)

Stuart Turton
Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
(The Seven Deaths of Evelyn Hardcastle, 2018)
Übersetzung: Dorothee Merkel
Tropen, 2019, Hardcover, 606 Seiten, 24,00 EUR, ISBN 978-3-68-50421-7 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Karl E. Aulbach

In Amerika hat er den Costa First Novel Award 2018 gewonnen, und es dürfte nicht verwundern, wenn der Roman „Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ von Stuart Turton auch in Deutschland den einen oder anderen Literatur-Preis abräumen würde. Der Band ist absolut das, was man einen Pageturner nennt. Die gut 600 Seiten können an einem Wochenende geradezu verschlungen werden, und man hätte ganz gerne noch weitere 200 Seiten vertragen, um das eine oder andere Detail weiter auszuleuchten.

Aber vielleicht ist es auch ganz gut, wenn der Hintergrund eben Hintergrund bleibt und man als Leser nicht allzu viel darüber erfährt. Nur andeutungsweise kann man vermuten, ob ein weit entwickeltes künftiges Justiz-System oder gar eine höhere Macht, die wie auch immer geschaffene in sich abgeschlossene Welt des altenglischen Anwesens Blackheath hervorgebracht hat, die außer von den Anwesenden von niemandem betreten oder verlassen werden kann.


In Blackheath bereiten sich Mitglieder der gehobenen Stände auf einen Ball zu Ehren von Evelyn Hardcastle vor, der abends stattfinden soll. Weitere Bewohner des heruntergekommenen Anwesens sind die Dienstboten. Gemeinsam haben alle eins: Jeder von Ihnen hat ein Geheimnis, und fast jeder kann ein Puzzle-Stück zur Lösung des Falls beitragen, wenngleich es auch Lügen, falsche Fährten, Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten gibt, die der Autor in einer bravourösen Art und Weise aneinander reiht, bis sich verschiedene Motive und Möglichkeiten herauszuschälen beginnen.
 
Bis auf Aiden Bishop sind die Gäste zwar unfreiwillig hier, aber ohne dass sie zwangsläufig Kenntnis davon hätten. Sie erleben immer wieder ein und denselben Tag, an dessen Ende die Tochter des Hauses, Evelyn Hardcastle, vor aller Augen umgebracht wird, ohne dass es wie ein Mord aussieht. Wie Bishop von einem geheimnisvollen Mann mit einer Maske erfährt, endet das Szenario erst dann, wenn eine von drei Personen den Mord aufklärt und das Unrecht damit beseitigt.

Nur einer der drei, der erste, der die Lösung präsentiert und beweist, kann dann aus diesem sich in Endlosschleife wiederholenden Tag entkommen. Aufgrund seines freiwilligen Eindringens in dieses Szenario - die Gründe können hier nicht verraten werden, sind aber bei der Enthüllung wirklich sensationell überraschend - erhält Bishop im Gegensatz zu den anderen Bewohnern, deren Erinnerung jeden Tag aufs Neue bei Null beginnt, die Chance, seine Erinnerungen für acht Tage mitzunehmen.

An diesen acht Tagen, wacht er jeden Morgen im Körper eines anderen Bewohners auf und kann so die gewonnenen Erfahrungen kombinieren und von den jeweiligen Eigenschaften seines Wirts profitieren und neue Erkenntnisse gewinnen. Es ist einfach unglaublich, wie phantastisch Stuart Turton diese Symbiosen beschreibt, bei denen Bishop zunächst seine Wirte problemlos beherrscht, dann aber immer mehr von ihren Eigenschaften absorbiert und, je mehr Wirte er hatte, umso mehr zu einer fast neuen Persönlichkeit verschmilzt, letztlich sogar mit seiner eigene Natur ringen muss.


Mehr will man an dieser Stelle nicht verraten, aber dem Leser kann versichert werden, dass das Buch hervorragend aufgebaut ist, vor überraschenden Wendungen geradezu überquillt und nach 500 Seiten eine nicht ganz falsche, aber immer noch nicht ganz richtige Lösung präsentiert wird.

Die endgültige Lösung ist dann auch sensationell gelungen und - ein ganz dickes Plus dafür für den Autor - auf eine zutiefst humanistische Gesinnung zurückzuführen, was die wirklich bewegende Botschaft, die in diesem Roman steckt, ausmacht. Der Rezensent ist rundum begeistert!

Freunde der Phantastischen Literatur werden den Hintergrund (auch wenn vieles im Dunkeln bleibt) und die Verwobenheit der Handlung, die oftmals auch zeitliche Sprünge beinhaltet, sehr schätzen. Für Freunde der Kriminal-Literatur werden sich ganz neue Welten ob der unglaublichen Komplexität der Handlung und der Charaktere auftun.

„Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle“ ist ein Spitzenroman, den man bereits jetzt zu den Besten des Jahres rechnen darf und der wirklich uneingeschränkt empfohlen werden kann.