Roshani Chokshi: Die goldenen Wölfe (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 30. August 2019 13:40

Roshani Chokshi
Die goldenen Wölfe
(The Gilded Wolves, 2018)
Übersetzung: Hanna Christine Fliedner & Jennifer Thomas
Titelbild: Kerri Renick
Arctis, 2019, Hardcover, 446 Seiten, 19,00 EUR, ISBN 978-3-03880-026-2 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Die Welt im Jahr 1889. Frankreich, ganz Europa ja die ganze Welt schaut auf und nach Paris. Denn hier, in der Stadt an der Seine, eröffnet in wenigen Wochen die Exposition Universelle, die Weltausstellung. Als Wahrzeichen reckt sich der von Monsieur Eiffel konstruierte und erbaute Turm als zu diesem Zeitpunkt höchstes Bauwerk der Welt in den Himmel. Und hier, in der Stadt des Savoir-vivre, der Lust und Inspiration, lebt Séverin Montagnet-Alarie und geht in eigenem wie fremden Auftrag auf Akquisition.
Einst, vor langer Zeit gehörte er einer der vier mächtigen, mit besonderen Gaben bedachten Familien der Stadt an. In Diensten des Ordens von Babel wachen diese über eines der auf der Welt verstreuten Artefakte des von Gott zerstörten gleichnamigen Turmes.
Eines der Häuser wurde dem Vergessen anheimgegeben, strebte das gefallene Haus doch das Verbotene, das Undenkbare an - man wollte sich zu Göttern erheben, die Fragmente des Turms zusammenbringen um die Schöpfung neu zu gestalten.
Ein zweites, das Haus dem Séverin entstammt, endete mangels Nachkommen. Séverin wurde um sein Erbe gebracht und versucht seitdem, das Unrecht durch seine Beutezüge ein wenig wieder auszugleichen. Dabei kommt er einem magischen Hilfsmittel auf die Spur, das dessen Besitzer ermöglicht, die verborgenen Babel-Artefakte zu finden.
Zusammen mit seinen Verbündeten und angetrieben von dem Versprechen, bei Erfolg als Oberhaupt seines Hauses eingesetzt zu werden, machen sie sich auf, das Horusauge zu stehlen - nicht ahnend, dass eine weitere Partei ihnen auf den Fersen ist; Widersacher, deren magische Kräfte weit größer sind, als je gesehen und die mitleid- und skrupellos ihre Ziele verfolgen .
Die Welt der Belle Époque dient in all ihrer dekadenten Pracht als Bühne für einen Roman - einmal mehr der Auftakt einer Trilogie -, der uns eine Welt vorstellt, die faszinierend schön, bezaubernd, pittoresk und unglaublich gefährlich ist.
Verbunden hat die Autorin diese nur auf den ersten Blick malerische Kulisse mit einem phantastischen Hintergrund, der so noch nicht zu lesen war.
Da wird der biblische Turm zu Babel als Quelle der magischen Schmiedekunst genannt, da begegnen uns Menschen, die eine besondere Affinität zu Stoffen ihr Eigen nennen, und nicht zuletzt in deutlicher Art und Weise Rassismus.
So wird unser Anführer einer mehr als schillernden Diebesbande - und nicht anderes sind nüchtern betrachtet unsere Abenteurer - aufgrund seiner Abstammung mit einem farbigen Elternteil um sein Erbe gebracht, da treffen wir auf Geheimgesellschaften, Logen und Orden, die sich unerkannt innerhalb der Gesellschaft bewegen und gegen Gleichstellung oder Rassenvermischung wettern. Immer wieder beleuchtet die Autorin hier en passent den tagtäglichen Rassismus, der insbesondere die farbigen Kolonialvölker, aber auch die Juden heimsucht. Während der Weltausstellung waren unter anderem ganze Dörfer Farbiger zu besichtigen; allen, die keine rein weiße Hautfarbe hatten, treten die Honoratioren mit Misstrauen, ja Ablehnung entgegen.
Auf dieser Bühne lässt die Autorin ihre Erzähler - jeder der Bande nimmt abwechselnd im Regiestuhl platz und berichtet die Vorkommnisse aus seiner oder ihrer Sicht - die Jagd nach den mystischen Schätzen, die Fallen, die ihnen auf dem Weg ins Ziel begegnen und ausgeschaltet werden müssen. und ihre mannigfaltigen gefährlichen Gegner aufmarschieren.
Das erinnert von der Grundanlage her an Filme wie „Ocean’s Eleven“, nur eben in einem weit pittoresken, phantastisch aufgepepptem Setting. Dass es dabei jede Menge Fährnisse, nicht vorhersehbare Wendungen und herbe Verluste gibt, trägt zum Unterhaltungswert und der gebotenen Dramatik bei.
Allerdings ist das Buch, bei all seiner Faszination und der der Geschichte innewohnenden Spannung, nicht unbedingt ein Jugendbuch per se. Weder kommen die handlungstragenden Figuren aus dem Bereich der Heranwachsenden, noch bietet sich der Plot jugendaffin an. Sicherlich werden auch Leser ab 12 Jahren dem Inhalt folgen können, bleiben Gewaltschilderungen doch weitgehend außen vor. Doch als reines Jugendbuch würde man das Potential des Textes unterschätzen. Der Inhalt, die Kulisse und nicht zuletzt die vielen geschichtlichen Fakten, die die Autorin in ihren Plot integriert hat, werden auch erwachsene Leser in ihren Bann ziehen.
So bleibt als Fazit, dass der Auftakt der Trilogie stilistisch wie inhaltlich überzeugt, dass auf den Leser eine diesem unbekannte Welt der Belle Époche wartet, die mit phantastischen Ideen, faszinierenden Figuren und jeder Menge Rätsel angereichert wurde.