Richard Morgan: Mars Override (Buch)

Richard Morgan
Mars Override
(Thin Air, 2018)
Übersetzung: Bernhard Kempen
Titelbild: Christian McGrath
Heyne, 2019, Paperback, 732 Seiten, 15,99 EUR, ISBN 978-3-453-32022-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Nicht erst seitdem Netflix seine Reihe mit Takeshi Kovacs unter dem Titel „Altered Carbon“ in ein TV-Serienformat umgesetzt hat, gilt der Schotte Richard Morgan als einer der interessantesten SF-Action-Autoren unserer Zeit. Nun legt sein deutscher Hausverlag seinen neuesten Roman vor, der sich, um dies vorweg zu nehmen, liest wie ein Kovacs-Roman ohne Takeshi - sprich: Im Zentrum des rasant ablaufenden Geschehens steht einmal mehr ein Mensch, der sich bestens in den Niederungen der Zivilisation auskennt.

 

Vorhang also auf für Hakan Veil, ein Overrider. Die genetisch optimierten, technisch aufgerüsteten Elite-Fighter wurden ausgemustert und schlafen gelegt. Hakan hat sich auf den Mars verzogen. Hier, auf dem Planeten der den seit Jahrhunderten andauernden Versuchen aus dem roten Planeten eine zweite Erde zu machen widersteht, haben sich das Verbrechen, die Korruption und die Konzerne breit gemacht. Die Versuche eine gewisse Autonomie und eine gerechte Entlohnung der auf dem Mars geförderten Rohstoffe und die hoch entwickelte MarsTec zu erreichen, wird von den Erdkonzernen, der Flotte und den Politikern mit harter Hand verhindert.

Harkan will weg, er will, wie so gut wie alle Marsbewohner, zurück auf den blauen Planeten. Doch die Tickets sind rar und entsprechend teuer. Als Gegenleistung für ein Rückflugticket zur Erde soll der Fighter einen letzten Job erfüllen: Bodyguard für eine Agentin der Earth-Oversight-Behörde soll er spielen - eigentlich ein handelbarer Job, wenn da nicht so gut wie alles schief gehen würde und sich unser Kämpfer unerwartet mitten in einer Verschwörung wiederfinden würde, in der er auf alte Bekannte, neue Feinde und jede Menge tödlicher Überraschungen stößt.


Sie lieben die so glaubwürdige Kulisse einer heruntergekommenen zukünftigen Welt? Sie haben die Nase voll von glatt gebürsteten Edelstahlfassaden à la „Star Trek“ oder „The Orville“ und finden die Kulissen aus „Blade Runner“ und Co. weit faszinierender?

Nun, dann sind sie bei den SF-Romanen von Richard Morgan definitiv richtig. Hier treffen sie auf eine Welt, die an Dick’sche Visionen erinnert, an Dreck, Elend und menschenverachtendes Verbrechen.

Und sie begegnen einem Kämpfer, für den all dies Alltag ist. Ein Mensch, der seit frühester Kindheit dazu erzogen wurde, in einer solchen Umgebung nicht nur zu überleben, sondern zu obsiegen.

Dabei geht es in dem verschachtelten Plot nicht eben wohlerzogen zu. Es wird gekämpft - und dies mit allen Mitteln -, gelitten und gestorben, letzteres zumeist mehr als schmerzhaft und auch des Öfteren.

Dabei verfolgen wir fasziniert die Suche unseres Protagonisten nach Erkenntnissen mit. Vieles bleibt zunächst rudimentär und rätselhaft. Es geht um ein Audit der Erde, es geht um einen verschwundenen, vermutlich ermordeten Lotterie-Gewinner, um Erpressung, das organisierte Verbrechen und die Zukunft des Mars. Dabei spielen nicht nur die korrupten Politiker, selbst ernannte Heilsbringer und Revoluzzer, sondern auch chinesische Triaden, verräterische Ordnungshüter und nicht zuletzt der Planet selbst eine gewichtige Rolle. Auch wenn zunächst Vieles diffus bleibt, zieht einen das Geschehen in die Geschichte, verfolgt man gebannt mit, wie es unserem Antihelden ergeht.

Natürlich erinnert so Manches an Takeshi Kovacs’ Abenteuer, eigentlich könnte man den Roman ohne große Änderungen als einen „Altered Carbon“-Titel vermarkten. Die Handlungsschemata, die Grundanlage sind vergleichbar, die Charaktere einander ähnlich. Dazu kommt die wie gewohnt stimmig in den actionreichen Plot eingearbeitete Gesellschaftskritik, die uns anschaulich aufzeigt wohin der ungezügelte Kapitalismus auch und insbesondere aus dem aufstrebenden Reich der Mitte führen wird.

Wenn man denn überhaupt meckern möchte, dann, dass der Roman ein wenig zu lang geraten, der Plot ein, zwei Wendungen zu viel aufweist. Dies fällt aber in der wie immer stimmigen Übersetzung Bernhard Kempens nicht groß ins Gewicht, kann man doch, einmal am Haken Morgans gefangen, die Seiten kaum schnell genug umblättern, um seinem Erzähler in die nächste tödliche Situation zu folgen.