Sebastian Pirling: Der Planet der verbotenen Erinnerungen (Buch)

Sebastian Pirling
Der Planet der verbotenen Erinnerungen
Brendow, 2019, Paperback, 284 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-96140-072-0 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Die Welt in einer fernen Zukunft. Die Menschheit hat sich in der Galaxie ausgebreitet, hat Planeten kolonialisiert, Sternenreiche gegründet und sich fortentwickelt. Ein Jeder trägt künstliche Organe mit und in sich, die Synapsen des Gehirns werden durch eine KI-Box, Noki genannt, ersetzt, die ausgewählte Erinnerungen in Clips abspeichert und zugänglich macht.

Unser Erzähler, Benjamin genannt, ist Erinnerungsdesigner. Der gewaltsame Tod seines Mentors, Professor Taliesin val Akumei, auf den er dank fragmentarischer Erinnerungen, die er sich illegal angeeignet hat, zugreifen kann, hat ihn dazu angeregt nachzudenken und zu hinterfragen. Ist wirklich alles, was die Menschheit erreicht hat gut, oder hat sich die Spezies Mensch willentlich einem Diktat der individuellen Optimierung um jeden Preis unterworfen, das die Gattung auf einen bedenklichen Pfad führt?

Und wer bitteschön sind die Exegeten, und was unterscheidet diese von den übrigen Menschen?

Fragen, die unseren Forscher auf den Planeten Maktoto führen. Dass dieser von der Dunklen Wolke, einer nach wie vor rätselhaften Gefährdung, bedroht wird, macht seine Forschungen nicht einfacher.

Er reist an Bord eines mittels gigantischer Muskelkontraktionen betriebenen Reisegefährts in die Provinz. Hier, abseits der korrupten Bürokratie, erhofft er sich Erkenntnisse um die Exegeten. Und er findet mehr, als er erhofft oder befürchtet hat - setzen die Exegeten doch auf persönliche Erinnerungen...


Vorliegender Roman wurde bereits mit dem C. S. Lewis Preis ausgezeichnet, auch beim Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar tummelt sich der Titel auf der Longlist. Dies vorweg geschickt wartet ein Roman auf den Leser, der sich diesem nicht einfach erschließt. Weit von den gängigen Weltraum-Opern entfernt, nimmt sich der Autor einer sehr komplexen Zukunft an, die erst nach und nach deutlich wird.

Die Religion wurde, auch mittels Erziehungslagern und gewaltsamer Unterdrückung, ausradiert, die Erinnerungen werden manipuliert und nur teilweise zur Verfügung gestellt. All dies führt dazu, dass sich die Welt unseres Protagonisten als eine beklemmende, ja furchteinflößende Zukunft präsentiert, die trotz aller technischen Fortschritte nicht wirklich lebenswert erscheint.

Hier wird Vieles angerissen, kurz beleuchtet um dann in der Folgezeit doch wieder zu verschwinden. Offene Fragen - was führte letztlich zum Tod des Professors, wer hat dessen Versuche mit der Zeit sabotiert, warum verlor er in der Folge seine Familie, warum werden die Exegeten als so gefährlich für die Gesellschaft angesehen? - werden leider zu oft nicht beantwortet. Hier soll der Leser wohl dazu angeregt werden, selbst nachzudenken und mögliche Erklärungen zu suchen.

Letztlich geht es dem Autor darum, zu fragen, wie eine Welt ohne Religion, ohne persönliche Erinnerungen aussehen wird und wohin dies führt. Das ist keine einfache Kost, erfordert der Text doch vom Rezipienten sich auf die Fragen einzulassen und nach- und mitzudenken.