In tiefen Wäldern Träumen lauschen 1-3: Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling 1-3 (Comic)

Zhang Jing
In tiefen Wäldern Träumen lauschen 1-3
1: Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling 1
2: Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling 2
3: Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling 3
Übersetzung: Marc Herrmann
Chinabooks, 2019, Paperback, je ca. 160 Seiten, je 15,83 EUR, ISBN 978-3-905816-87-7 (1), ISBN 978-3-905816-88-4 (2), ISBN 978-3-905816-89-1 (3)

Rezension von Christel Scheja

Es hat in den vergangenen Jahren immer einmal wieder Versuche gegeben, auch chinesische Comics anzubieten, allerdings hat man sich bei Tokyopop und Co. eher auf junge und moderne Themen konzentriert, sozusagen „die jungen Wilden“ gefördert. Der kleine Schweizer Verlag Chinabooks sorgt nun dafür, dass auch die literarische Seite zum Tragen kommt. Ein Teil der Titel erscheint sogar zweisprachig, damit diese im Chinesisch-Unterricht an der Uni oder Sprachschulen verwendet werden können.

Einer der eher zur Unterhaltung gedachten Titel ist „In tiefen Wäldern Träumen lauschen“ aus der Feder der jungen Künstlerin Zhang Jing, die mit ihren Geschichten auch an die Vergangenheit ihres Landes erinnern will, in der vieles anders war.


Ein junges Mädchen sitzt in einem Tempel fest, als starke und langanhaltende Regenfälle einsetzen aufgrund dessen sie nicht mehr nach Hause zurückkehren kann, denn das ist in der abgelegenen Gebirgsregion zu gefährlich und unsicher.

Sie langweilt sich schon ziemlich, da kommt ein Fremder und bittet ebenfalls um Zuflucht. Allerdings verrät er nicht, wer er ist, nimmt auch die Affenmaske, die er die ganze Zeit trägt, nicht ab. Stattdessen bietet er dem launischen Mädchen an, ihr die Zeit mit Geschichten zu vertreiben, was auch gerne angenommen wird.

So beginnt der Fremde von einer jungen verspielten Prinzessin zu berichten, dem Liebling ihres kaiserlichen Vaters, deren Wünsche bisher noch nie verwehrt wurden. Auch, dass sie sich selbst einen Mann aussucht und nicht wartet, bis sie an einen anderen Prinzen verheiratet wird, um damit ein Bündnis zu stärken. Stattdessen wählt sie sich mit A Jiu einen Bürgerlichen, der auch noch aus einer Familie mit zweifelhaftem Ruf stammt. Doch das Mädchen lässt sich nicht beirren, sorgt dafür, dass sie den jungen Mann in den Palast holen kann, auch wenn er einen großen Fehler hat - er ist stumm.

Doch seine Schönheit verzaubert alle, selbst die Kaiserliche Familie und die um sie gescharten Höflinge, die sich gar nicht satt sehen können an dem jungen Mann, der so außergewöhnlich zu sein scheint. Der junge Mann hat allerdings noch andere Geheimnisse als seine Behinderung.


Die Künstlerin nimmt sich Zeit für die Geschichte in der Geschichte. Sie reflektiert auch die Reaktion der Zuhörerin, die bei der einen oder anderen Sache nicht so begeistert ist, wie man es erwartet hätte, bestätigt aber gleichzeitig, dass die meisten Menschen nur in vorgegebenen Bahnen denken können.

Der Erzähler und damit auch die Künstlerin lassen sich aber nicht beirren, sondern folgen einem ganz eigenen Kurs, der zunächst einmal die eigenwillige Prinzessin vorstellt, die eigentlich ganz glücklich zu sein scheint, da sie auch immer wieder aus ihrem goldenen Käfig ausbrechen und eigene Wege gehen kann und jeder ihrem Wort gehorcht, da sie ja durch den Kaiser über Wohl und Wehe der Höfling entscheiden kann.

Diese Machtposition nutzt sie weidlich aus, erscheint dadurch leichtlebig und oberflächlich. Andererseits merkt man aber gerade auch im Zusammenhang mit ihrem Erzfeind - einem Halbbruder, der wie sie von einer Fremdländerin abstammt -, dass sie nicht ganz so ist. Und auch bei A Jiu entwickelt sie einige andere Verhaltensweisen.

Dennoch ist sie überraschend naiv und übersieht viele der kleinen Zeichen, die ihr ihr Auserwählter gibt, der sich zwar für seine Familie in sein Schicksal fügt, aber seine Verzweiflung nicht verbergen kann. Um ihn ranken sich sehr viele Geheimnisse, die sich nur nach und nach lüften, so dass Spannung gewahrt ist.

Denn davon gibt es ansonsten eher wenig, da sich der Comic in den drei Bänden eher Zeit nimmt, das Leben am Hofe zu schildern, ein Sittengemälde zu entwerfen, das dem Leser das Gefüge am Kaiserhof näher bringt, in dem es nicht nur darauf ankommt, geschickt zu intrigieren, sondern auch die Anwesenden für sich durch Dichtkunst und Höflichkeit einzunehmen. Dabei kommt auch die Dekadenz am Hof zum Tragen, der eine ganz eigene Welt mit eigenen Regeln zu sein scheint und nur wenig mit der Welt da draußen zu tun hat.

Nach und nach bauen sich aber auch Differenzen auf; kleine aber feine Entwicklungen, die vermutlich noch zu einem üblen Konflikt und Drama führen werden.

Doch bis es so weit ist, kann man die nuancierten Zeichnungen genießen, die nicht nur die Hintergründe und Kleidung, sondern auch die Gesichtszüge der Figuren zum Leben erwecken. Die Künstlerin weiß offensichtlich, dass es nicht nur darauf ankommt, ob und wie alles aussieht, sondern auch, dass die Figuren in ihrem Stück den Leser zu fesseln wissen.

Wer jedenfalls bereit dazu ist, sich auf die zwar ruhige aber doch lebendige Geschichte einzulassen, die mit Genuss das Leben am chinesischen Kaiserhof nachzeichnet und gleichzeitig ein paar Geheimnisse aufbaut, sollte ruhig einen Blick riskieren, immerhin erlaubt auch die liebevolle Gestaltung, die Zeichnungen zu genießen.

Fazit: „In tiefen Wäldern Träumen lauschen“ könnte eine unterhaltsame Geschichtenreihe von Zhang Jing werden, in der die Künstlerin mit feinem Strich und lyrisch-verspielter Erzählweise den Leser mit spannenden, wenn auch vielleicht nicht sonderlich actionreichen Geschichten aus der chinesischen Geschichte fesseln kann. Das Epos „Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling“ ist jedenfalls ein gelungener Auftakt, gleichzeitig Mystery und Sittengemälde, das beim Lesen an den Kaiserhof entführt.