Batman: Der Weiße Ritter (Comic)

Sean Murphy
Batman: Der Weiße Ritter
(Batman: White Knight, 2017/2018)
Übersetzung: Josef Rother
Panini, 2019, Paperback, 220 Seiten, 22,00 EUR, ISBN 978-3-7416-0984-8 (auch als Hardcover erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

Nach der unfreiwilligen Einnahme experimenteller Medikamente scheint der Wahnsinn des Jokers geheilt zu sein. Unter seinem bürgerlichen Namen Jake Napier nimmt er nicht nur ein normales Leben auf, er drängt auch mit Harley Quinns Hilfe in Gothams Lokalpolitik und sagt Batman den Kampf an. Dabei prangert er das zunehmend rücksichtslosere Verhalten des Dunklen Ritters im Kampf gegen das Verbrechen an. Er ernennt sich zum „Weißen Ritter“ von Gotham.

Als Napier von einem geheimen Batman-Zerstörungsfonds - Gelder, die für die von Batman verursachten Sachschäden auf der hohen Kante liegen - erfährt, kippt die Stimmung in der Bevölkerung endgültig. Napiers politischer Angriff und der Tod seines Butlers und Vertrauten Alfred destabilisieren Batman indes immer mehr, so dass auch seine Mitstreiter sich zunehmend von ihm distanzieren.

Gleichzeitig ist Harley Quinn II. sauer, dass der Joker sie nach seiner Genese einfach so abserviert hat. Sie erklärt sich selbst zum Neo-Joker und greift gemeinsam mit dem Hutmacher einen alten Joker-Plan wieder auf, der alle Superschurken in Gotham unter ihre Kontrolle bringt. Damit will sich die verschmähte Prinzessin sowohl an Batman, den der Joker ihr immer vorgezogen hat, wie auch an dem treulosen Napier rächen. So bleiben dem Dunklen Ritter und dem Weißen Ritter von Gotham nichts anderes übrig als zusammenzuarbeiten, um gegen diese Übermacht zu bestehen.


Das neue „Elseworlds“ heißt „Black Label“ und soll den Comic-Autorinnen und -autoren maximale kreative Freiheit bieten. Sprich, bekannte Figuren werden in neue Wirklichkeiten versetzt, in alternative Ziellinien und moderat oder gar komplett gegen den Strich gebürstet.

Den Anfang dieser für Gelegenheitsleser empfohlenen Bände macht „Batman: Der Weiße Ritter“, für den Sean Murphy, noch bestens in Erinnerung mit „The Wake“, als Zeichner und Autor in Personalunion verantwortlich ist. Und während diese Kombi schon einige Male zwar schöne Bilder, aber eine maue Story lieferte, profiliert sich Murphy mit seinem Batman-Epos als ausgezeichneter Geschichtenerzähler.

Der Autor versteht es nicht nur, verschiedene Erzählstränge geschickt zu führen und zu gegebener Zeit zu kombinierten, er hat auch ein fabelhaftes Gespür für Spannungsaufbau, Tempo und Timing.

Viel wichtiger ist jedoch, dass alle Handlungen und Entscheidungen psychologisch unterbaut und für den Leser nachvollziehbar sind: Batman verliert, über Wut und Schmerz, scheinbar langsam das rechte Maß, wenn nicht gar den Verstand und hält Napiers ‚Heilung‘ für einen weiteren Trick seines Erzfeindes. Die Bat-Truppe kann sich nicht mehr mit ihrem Mentor identifizieren. Die Bevölkerung Gothams ist empört über das, was die Polizei Batman alles durchgehen lässt; Commissioner Gordon gerät immer mehr unter Druck und muss reagieren. Die klassischen Rollen von Batman und Joker kehren sich um.

Sogar Neo-Jokers Wunsch nach Rache ist einleuchtend. Und nicht zuletzt das Verhalten von Harley Quinn I., Harleen Quinzel, das im letzten Kapitel der Saga noch für eine handfeste Überraschung sorgt.

Dass die beiden Kontrahenten am Ende zur Zusammenarbeit gezwungen werden, ist klassisches Buddy-Kino, verschärft durch den Umstand, dass Napier sich an die Medikation gewöhnt und der Joker in den unpassendsten Momenten zurückkehrt. Somit hat Sean Murphy alles beisammen, was man für hochwertige Comic-Unterhaltung benötigt. Nicht umsonst wird „Der Weiße Ritter“ vielerorts als beste Batman-Geschichte der letzten Jahre bezeichnet. Ein Attribut, das fast zwangsläufig eine Fortsetzung fordert: „White Knight 2: Curse of the White Knight” startet in den USA am 24. Juli 2019.

Was die künstlerische Umsetzung angeht, gehört Murphy verdientermaßen zu den derzeit besonders angesagten Zeichnern. Er pflegt einen eigenständigen, kantigen Stil mit hohem Wiedererkennungswert, sehr dynamisch und immer mit einem gewissem Steampunk-Touch, was an dem sehr uniformartigen Kleidungsstil von Murphys Figuren liegen könnte.

„Batman: Der Weiße Ritter“ ist eine brillante „Was wäre wenn“-Story, die Neu-, wie auch Stammlesern Spaß macht. Hier stimmt einfach alles.