Helen Carter: Geliebter Gebieter - Eine Sklavin im Zeichen Roms (Buch)

Helen Carter
Geliebter Gebieter - Eine Sklavin im Zeichen Roms
Blue Panther Books, 2018, Taschenbuch, 222 Seiten, 9,90 EUR, ISBN 978-3-86277-345-9 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Hinter Helen Carter verbirgt sich die Autorin Petra Schäfer, die außerdem unter den Pseudonymen Kathrin von Potulski und Cassandra Norton erotische Romane schreibt. Sie verfasste zum Beispiel „Die Anwaltshure“ Teil 1 bis 3, „Die Geliebte des Grafen“ und „Gefangene des Scheichs“. Ihr Name geriet im Rahmen des sogenannten „Weltbild-Skandals“ in die Schlagzeilen, aufgrund der Diskussion, ob ein der katholischen Kirche gehörender Verlag erotische Literatur vertreiben dürfe. Diese endete damit, dass der Vatikan intervenierte und den Verkauf dieser Publikationen verbot.

 

Die germanische Sklavin Wanda, Eigentum des römischen Feldherrn Marcus Lucius, wird in dessen Haus gut behandelt, so dass sie schon bald nicht nur Loyalität sondern sogar Liebe gegenüber dem attraktiven Mann empfindet. Er jedoch setzt sie einem Wechselbad der Gefühle aus, und was sie auch sagt oder tut, es scheint immer falsch zu sein und seinen Zorn zu erregen.

Gleichzeitig zieht sie das Interesse von Marcus‘ jüngerem Bruder Gaius auf sich, der keinen Hehl daraus macht, dass er sie besitzen, ja, sie Marcus wegnehmen will. Auch er fordert regelmäßig sein Recht ein und holt sich andere Sklaven ins Bett, wenn Wanda ihm ausweicht oder nur einen Teil seiner Wünsche erfüllt.

Als Marcus sie einem Senator schenkt, um sich dessen Einfluss zunutze zu machen, weil er nach Beendigung seiner militärischen Karriere ein politisches Amt anstrebt, fügt sie sich klaglos. Obschon der alte Mann sie entjungfern durfte und nach allen Regeln der Kunst befriedigt wurde, zeigt er lediglich Geringschätzung, so dass Marcus Wanda zurücknimmt.

Gleichwohl er von ihr besessen scheint, stellt er sie immer wieder auf die Probe, nicht ahnend, dass das besondere Verhältnis der beiden vielen ein Dorn im Auge ist und es Personen in seinem Haushalt gibt, die darüber nachdenken, Wanda aus dem Weg zu räumen, da sie glauben, dass die junge Frau eine Bedrohung der Hierarchie darstellt und niemand eines Tages von ihr Befehle entgegennehmen will.

Aber ganz so blauäugig ist Marcus nicht. Da er auf einen Feldzug nach Germanien geschickt wird, regelt er seine Verhältnisse und lässt Gaius nach Hause kommen, als neuen und somit auch Wandas Gebieter.


Helen Carter hat nicht die Absicht, eine Lektion in Geschichte zu erteilen, doch liefern einige Namen genug Daten, das Geschehen chronologisch einzuordnen:

Publius Quinctilius Varus (47/46 v. Chr. bis 9 n. Chr.) gibt dem Kaiser dieser Ära einen Namen, nämlich Gaius Octavian beziehungsweise Augustus (63 v. Chr. bis 14 n. Chr.). Untermauert wird das durch den Auftritt des Cheruskers Arminius (17 v. Chr. bis 21 n. Chr.), der wegen seiner militärischen Verdienste das römische Bürgerrecht erhalten hatte. Hingegen hat der einmalig erwähnte Sklave Tacitus nichts mit dem Senator und Historiker Publius Cornelius Tacitus (58 n. Chr. bis um 120 n. Chr.) zu schaffen.

Man kann also die Handlung um das Jahr 7 oder 8 n. Chr. verorten, vor der Varus-Schlacht im Teutoburger Wald (9 n. Chr.) und vor den sprichwörtlichen Exzessen von Tiberius, Caligula, Nero und so weiter, von deren man ein Bild in sich trägt, das vor allem durch Kino und TV geprägt wurde. Tatsächlich gehen Historiker davon aus, dass die damalige römische Gesellschaft sehr frei war, jedoch vor allem die Männer den Nutzen hatten und weniger die Frauen.

Der Roman beginnt mit der Einführung Wandas, die als Beobachterin einem Gelage beiwohnen muss, ohne selbst miteinbezogen zu werden und sexuelle Erfüllung zu erlangen. Schon hier wundert sich der Leser, wieso eine Sklavin, die offenbar noch nicht lange in Rom weilt, die Sprache perfekt beherrscht und auch mit den Sitten einigermaßen vertraut ist, mehr noch, dass sie ihre Herren nicht hasst und sie als (unerfahrene?) Jungfrau sogar stark begehrt, so dass sie hofft, in derselben Nacht Befriedigung zu erfahren, egal durch wen oder wie - Frauen, Männer, Sklaven, Herren, es spielt keine Rolle -, statt sich nach Befreiung und Rache zu sehnen.

Noch mehr fühlt man sich davon irritiert, dass Wanda ihrem Herrn und Feind Marcus Informationen gibt über den Landstrich, in den er einfallen soll, vorgeblich, um Streitigkeiten zwischen den Germanen-Stämmen zu unterbinden und Tribut einzufordern, in Wirklichkeit jedoch, um Rebellionen niederzuschlagen. Begründet wird ihr Verhalten damit, dass die Stämme untereinander verfeindet sind und man sie, eine Suebin, raubte und an die Römer verkaufte, weshalb sie für ihr eigenes Volk (Oberbegriff Germanen) keine Sympathien empfindet. Ein weiteres Wunder ist, dass sie ihre optischen Eindrücke auf Landkarten übertragen kann, obwohl sie vermutlich nie zuvor eine zu Gesicht bekam.

Jedenfalls akzeptiert sie ihr Schicksal, weil es schlimmer hätte kommen können. Sie passt sich den römischen Gepflogenheiten an, verliebt sich in ihren undurchschaubaren Herrn und möchte ihm in allem zu Willen sein. Dazu kommt es zunächst jedoch nicht, da sich erst andere an ihr erfreuen beziehungsweise ihr Lust verschaffen, teils weil Wanda es wünscht, teils weil sie sich einer höher gestellten Person nicht verweigern darf oder ihr Herr es befiehlt. Obwohl sie ihren Platz kennt und lediglich gehorcht, verärgert sie die Lucius-Brüder und eine große Schar Neider.

Selbst als sich Marcus ihr gegenüber zu tieferen Gefühlen bekennt, darf Wanda nicht auf eine Änderung ihrer Situation hoffen, denn das Paar ist den gesellschaftliche Regeln unterworfen. Außerdem wird die Legion bald abrücken und Marcus vielleicht erst nach einigen Jahren zurückkehren. Nachdem beide in Träumen vorhersahen, dass er in Germanien sterben wird, beschließt Wanda, davonzulaufen und dem Heer zu folgen.

Was sich in der Inhaltsangabe wie eine spannende Handlung liest, ist in Wirklichkeit leider bloß ein im Hintergrund errichtetes Gerüst, das in der Masse der Sex-Szenen ziemlich untergeht. Vermutlich interessieren sich auch nur die wenigsten Leser/Leserinnen für den historischen Background, wenn nur die Phantasien, die von erotischen Filmen beflügelt wurden, angemessen bedient werden, denn „Toll trieben es die alten Römer“ (1966).

Im Mittelpunkt des Geschehens steht die jungfräuliche Sklavin Wanda, die nichts anderes im Kopf hat als Sex und es mit jeder und jedem auf welche Art auch immer treibt (Frau, Mann, Trio, Quartett, Anal…), wobei auch Dominanz-Spiele dazugehören - was auch sonst, wenn der „Dominus“ befiehlt und die Serva zu gehorchen hat (seltener Domina und Servus)?

Diese Einbettung in die Zeit der Varus-Schlacht ist auch schon alles, was den Handlungsrahmen nebst einer Richtung vorgibt. Im Vordergrund stehen die sexuellen Handlungen, die Wanda beobachtet oder an denen sie teilnimmt. Ähnlich wie die Protagonisten in den schlechteren Vampir- und Zombie-Romances ist sie immer zu einem Quickie bereit, egal wie heikel die Situation ist und ob der Verderber bereits an die Pforte geklopft hat.

Die Sprache ist sehr drastisch, und die Schilderungen überlassen nichts der Phantasie. Die Autorin versteht, flüssig und unterhaltsam zu schreiben, sie nimmt ihr Publikum mit und hätte das Zeug, ihren Romanen mehr Tiefgang zu verleihen.

„Geliebter Gebieter - Eine Sklavin im Zeichen Roms“ ist so angelegt, dass man wenigstens noch einen Band erwarten darf.

Der historische Hintergrund verspricht Einiges, doch die damit verbundenen Ereignisse werden bestenfalls tangiert (zum Beispiel wenn Arminius von den Vorgängen in Germanien berichtet und Wanda zu überreden versucht, ihm strategische Informationen zu beschaffen) und Spannungsmomente nicht genutzt (der Weinhändler, der Wanda auflauern, sie vergewaltigen und ermorden wollte, taucht nicht mehr auf, und auch etwaige berittene Verfolger - Gaius? - finden die entlaufene und schlecht ausgerüstete Sklavin nicht).

Das Buch bietet stattdessen eine fortwährende Aneinanderreihung von Sex-Szenen, und der Rest wird als vernachlässigbar abgetan. Dadurch plätschert die Handlung ohne echte Höhen und Tiefen dahin. Die Charaktere bleiben auf Distanz, wirken unberechenbar, nicht gefestigt und sind somit nicht wirklich sympathisch. Man könnte sehr viel mehr aus der Story herausholen, aber das ist hier nicht gewollt.

Wer mit Beschreibungen zufrieden ist, die mitunter brutal und schmutzig wirken, darf hier einen Blick riskieren. Mag man es subtiler, sollte man eine Leseprobe zu Rate ziehen oder im Buchladen ein wenig in dem Titel blättern, bevor man sich für oder gegen den Kauf entscheidet.