Ven Rouven: Herrschaft für ein Jahr (Buch)

Ven Rouven
Herrschaft für ein Jahr
Blue Panther Books, 2019, Taschenbuch, 410 Seiten, 9,90 EUR, ISBN 978-3-86277-357-2 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

„Herrschaft für ein Jahr“ ist der einzige von Ven Rouven unter diesem Namen/Pseudonym publizierte Titel. Über den Autor ist, wie so oft bei Verfassern erotischer Romane, im Internet (wenig bis) nichts zu finden. Die Begründung dafür liefert der Klappentext: „Schonungslos offen wird die wahre Geschichte eines BDSM-Paares in Romanform erzählt.“ Wenn das stimmt und hier tatsächlich eine Art Autobiografie vorliegt, kann man nachvollziehen, dass die Beteiligten anonym bleiben wollen, da sie gewissermaßen zwei Leben führen, das des biederen Alltagsmenschen und das des hemmungslosen Herrn/Sklavin der Lüste, die nicht vermischt werden sollen.

Infolgedessen bleiben die beiden Hauptcharaktere namenlos, reden sich als Herr und Dienerin an; allein einzelne Nebenfiguren mit kurzen Auftritten bekommen einen (erfundenen) Vornamen, worauf man, um dem Schema treu zu bleiben, auch hätte verzichten können - doch ging es hier offensichtlich auch um das Hervorheben von Unterschieden und Eigenheiten der jeweiligen Gespielinnen ‚des Erzählers und Herrn Ven Rouven‘.

 

Über das Internet kommen die erotisch Gleichgesinnten in Kontakt miteinander. Der erfahrene Herr ist sehr wählerisch und entscheidet sich, die junge Blondine in eine abgelegene Fabrik zu bestellen, diverse Auflagen inklusive, um sie persönlich in Augenschein zu nehmen, ihr eine Kostprobe seiner Wünsche angedeihen zu lassen und sie dann vor die Wahl zu stellen - falls er sie als Dienerin annehmen möchte -, ob sie sein Eigentum werden will oder nicht.

Die beiden werden ein Dom-Sub-Paar, und der Herr beginnt, seine neue Dienerin auszubilden. Er bekennt sich dazu, Sadist zu sein, und sie hat eine extrem masochistische Ader, so dass sie einander wunderbar ergänzen. Allerdings geht es dem Herrn nicht allein darum, seine Dienerin durch entsprechende (Sex-) Spiele zu erniedrigen und ihr physische Schmerzen zuzufügen, auch psychisch quält er sie, was noch viel schlimmer ist, denn seine peinlichen Befehlen muss sie in aller Öffentlichkeit ausführen, auch ohne seine Begleitung. Aber die Dienerin lernt sehr schnell und ist stolz auf sich, wenn sie wieder eine persönliche Hemmschwelle zur Zufriedenheit ihres Herrn genommen hat. Ihre Schmerzresistenz wächst genauso wie ihre stoische Ergebenheit - die Unterwerfung scheint wahrlich perfekt.

Wäre da nicht ihr Wunsch, ihrem Herrn ganz zu gehören und den erst gleichgültigen, dann wütenden und schließlich bekümmerten Ehemann zu verlassen, was ihr jedoch nicht gelingt, da die beiden nach all den Höhen und Tiefen ihrer gemeinsamen Jahre etwas verbindet. Außerdem ist da noch die beste Freundin der Dienerin, zu der der Herr eine interessante Online-Beziehung aufbaut, aus der schließlich mehr wird, da sich beide sympathisch finden und die ebenfalls verheiratete Frau Wünsche hegt, die zwar nicht wirklich BDSM sind, aber über das hinausgehen, was sie in ihrer wenig erfüllenden Ehe geboten bekommt. Nachdem es zuvor bereits Probleme zwischen dem Herrn und der Dienerin gegeben hat, nimmt mit der Einbeziehung der Gast-Sub der Anfang vom Ende dieser Beziehungen seinen Lauf.


„Herrschaft für ein Jahr“ ist wirklich happig und für empfindsame Vanilla-Sex-Typen nicht die richtige Lektüre. Man sollte, wenn man kein Interesse an BDSM hat und bloß neugierig ist, zumindest in der Theorie etwas vertraut sein mit diesen Spielarten, da es nicht bloß Szenen gibt, in denen Gewalt und Folter zur Anwendung kommen, sondern auch die Ekel-Grenzen ausgereizt werden (quod licet Iovi, non licet bovi –-während eine Gast-Dienerin Natursekt trinken muss, graust es den Herrn vor Naturkaviar und der Frau, die sich solche Spiele wünscht…). Jedenfalls staunt man über die beziehungsweise schaudert man angesichts der Dinge, die sich die BDSM-Praktizierenden einfallen lassen und als lustschenkend empfinden.

Sehr detailliert wird beschrieben, was sich der Herr für seine Dienerin einfallen lässt. Zwar achtet er darauf, dass sie nicht wirklich Schaden erleidet - die Spuren von Gewalt und Folter sind nicht bleibend, die Behandlung ist von ihr gewünscht, es geht ihr dabei und danach gut (der Herr vergewissert sich regelmäßig, dass alles in Ordnung ist) -, doch steht hier ein Ausreizen und Erweitern der Grenzen im Fokus, so dass Dinge geschehen, die extrem schmerzhaft sind, immer mehr Erdulden verlangen und eine andere Art von Befriedigung verschaffen als Sex allein, denn das Meistern der Forderungen des Herrn zur eigenen Befriedigung gehört dazu.

Neben diesen körperlichen Torturen spielen die psychischen Qualen eine wichtige, vielleicht sogar die wichtigere Rolle, da die Züchtigungen in einem geschlossenen Raum oder in Clubs unter Insidern, denen die Dienerin mitunter ebenfalls zur Verfügung zu stehen hat, stattfinden; wohingegen die unangenehmen Aufgaben, die in der Öffentlichkeit zu erledigen sind, die unerwünschte Aufmerksamkeit irritierter ‚Normal-Menschen‘ zur Folge haben (beispielsweise darf die Sub nicht mit dem Ober sprechen und ihre Bestellung aufgeben, sie muss sich in der Bahn oder Sauna im Beisein eines fremden Mannes selbst befriedigen oder bei einem Spaziergang durch die Stadt statt der Toilette wie ein Hund einen Baum benutzen…).

Der Herr genießt es, seine Dienerin auf vielfältige Weise zu peinigen und ihre Ängste zu spüren, gerade wenn ihr seine Befehle zuwider sind. Etwaige Bitten ignoriert er und gibt sich eiskalt. Die Dienerin leidet, überwindet sich und befolgt die Anordnungen, um anschließend stolz darauf zu sein, dass sie die Aufgabe bewältigen konnte, ja, sie hat im Nachhinein sogar Spaß daran, die ahnungslosen Leute, die in das Spiel involviert wurden, zu schockieren. Dabei gehen beide immer weiter und suchen ständig neue Kicks.

Dass hier keine konventionelle Liebe im Spiel ist, liegt auf der Hand. Der Herr möchte seine Triebe ausleben und sorgt sich im Rahmen des gemeinsamen Spiels um seine Dienerin, die wiederum alle Verantwortung abgibt und ihre Erfüllung darin findet, ihren Herrn zufriedenzustellen, indem sie alles aushält, was er ihr an Torturen abverlangt. Im vorliegenden Buch sind die Frauen verheiratet und bereit, die Ehe aufrechtzuerhalten, während der Herr eine Beziehung auf Zeit ohne weitere Verpflichtungen anstrebt. Sprich, man hat zusammen Spaß, bis es langweilig wird und/oder jemand Neues auftaucht. Dass ein sich liebendes (Ehe-) Paar die gleichen Neigungen teilt, scheint eher die Ausnahme.

Für Vanilla-Sex-Typen und -Eheleute ist das eine Welt, die weitgehend fremd bleiben wird. Man akzeptiert zwar, dass es Personen mit anderen Bedürfnissen gibt, an denen niemand Anstoß nehmen wird, wenn alles hinter geschlossener Tür mit Gleichgesinnten geschieht, aber wer sich für BDSM nicht begeistern kann, sollte sich nicht dazu zwingen (lassen), an den Spielen teilzunehmen, nur um den Partner nicht zu verlieren oder ähnliches. Bücher wie „Herrschaft für ein Jahr“ gewähren Einblicke in dieses exotisch anmutende Milieu, tragen sicherlich auch zu Aufklärung und Verständnis bei - doch jedem Tierchen sein Pläsierchen.

Der Roman liest sich tatsächlich wie eine Autobiografie in kurzen Kapiteln. Sie ist so geschrieben, dass man den Eindruck hat, der Schreiber säße einem gegenüber und erzähle diese Geschichte. Ab und zu greift er den Geschehnissen durch Andeutungen voraus, um Spannung zu erzeugen.

Genau genommen, hat das Buch keine Handlung. Es ist eine Aneinanderreihung von sich steigernden BDSM-Spielen, in die eine zusätzliche Dramatik eingebaut wird durch - später - eine Dreiecksbeziehung, die rachsüchtigen Angehörigen der Frauen und Eifersüchteleien zwischen ihnen. Dass man dennoch der Lektüre folgt, ist dem kurzweiligen Erzählstil und der Kapitelaufteilung zu verdanken, welche dafür sorgt, dass ein Thema abgeschlossen wird, bevor ein neues beginnt, wobei natürlich als roter Faden die intensiver werdende Beziehung von Herrn und Dienerin mitläuft.

Sympathisch findet man die Charaktere nicht. Der Herr will dominieren und gefürchtet statt geliebt werden. Seine Dienerin ist zwar auf ihn fixiert, aber im Rahmen ihrer Rolle, und sie benutzt ihn genauso zur Erfüllung ihrer Begierden wie er sie. Als deren Freundin hinzukommt, ändert sich zu viel, und keiner kann damit richtig umgehen, doch passiert noch sehr viel mehr. Aber das menschliche Drama tritt stets in den Hintergrund zugunsten der ausgiebigen BDSM-Szenen.

Darum: Ein Buch, das sich mehr an Kenner wendet, die Anregungen suchen, um ihre Grenzen auszuweiten. Wem detailliert geschilderte Praktiken dieser Art zu heftig sind, sollte lieber auf einen softeren Erotik-Roman ausweichen - Blue Panther Books hat zweifellos mehrere Titel im Programm, die den persönlichen Geschmack besser treffen.