Suspiria (DVD)

Suspiria
I/USA 2018, Regie: Luca Guadagnino, mit Tilda Swinton, Dakota Johnson u.a.

Rezension von Elmar Huber

1977: Die junge Susie Bannion kommt aus Ohio nach Berlin, um an der renommierten Tanz-Akademie von Helena Markos zu studieren. Ihr Vortanzen überzeugt die Schulleiterin Madame Blanc, so dass Susie ins Ensemble aufgenommen wird und das Zimmer der kurz zuvor verschwundenen Patricia beziehen kann. Während der Proben beginnt Olga, eine Freundin von Patricia, plötzlich, die Lehrerinnen zu beleidigen und will anschließend die Kompanie verlassen, kommt jedoch zuvor auf brutale Weise zu Tode. Susie ergreift die Chance, die damit frei geworden Hauptrolle im aktuellen Stück „Volk“ zu tanzen.

Unerklärliche Ereignisse und rätselhafte Alpträume quälen die neue Tanzschülerin, und es wird aufgedeckt, dass sich hinter den Verantwortlichen der Akademie ein Hexenzirkel verbirgt, der einen neuen Körper für seine Anführerin Helena Markos benötigt. Mit ihrer inneren Stärke und dem Mut, den Susie an den Tag legt, drängt sie sich der dahinsiechenden Hexe als neues Gefäß direkt auf.

 

Es gehört schon eine Menge Mut - künstlerisch wie kaufmännisch - dazu, eine Neuauflage von Dario Argentos „Suspiria“ zu inszenieren, gilt der Film doch als Opus Magnum des italienischen Horror-Regisseurs. Zumal der Name Argento dem Großteil der heutigen Kino-Zielgruppe kaum geläufig sein dürfte, so dass er zu Werbezwecken nicht einsetzbar ist. Argentos Anhänger auf der anderen Seite durften mit Recht skeptisch sein, stand doch zu befürchten, dass ‚ihr‘ Kult-Klassiker glattgebügelt wird, um dem Massengeschmack zu entsprechen.

Zumindest die Argento-Fans dürften nach Sichtung des Films beruhigt sein, denn der „Suspiria“ von 2018 ist alles, nur nicht an den Mainstream angebiedert. Dazu schafft Regisseur Luca Guadagnino das sehr seltene Kunststück, Hommage und Eigen-Interpretation brillant zu verschmelzen und in über zwei Stunden ein neues, hypnotisches Horror-Meisterwerk mit einigen eindringlichen Schock-Momenten abzuliefern.

Statt Freiburg ist nun Berlin der Sitz der Markos-Akademie. Statt Anfang der 70er befinden wir uns mitten im unsicheren Deutschen Herbst, was einen passenden Teppich für die Geschehnisse bildet, aber nicht übermäßig thematisiert wird. Gegenüber dem Original hat Guadagnino auch das Farbenprächtig-Märchenhafte zurückgefahren und einige Effekte hinzugefügt, die 1977 einfach noch nicht möglich waren.

Doch sind dies schon die einzigen (sichtbaren) Modernismen, ansonsten hat man einen Film vor sich, der nicht nur dank der phantastischen Ausstattung wirkt, wie in den 70er gedreht, sondern auch durch die Verwendung von klassischem 35-mm-Film. Optisch erinnert „Suspiria“ nicht selten an Roman Polanskis „Rosemaries Baby“, als Stil-Vorbild werden zudem die Filme von Rainer Werner Fassbinder genannt.

Neu ist außerdem eine Nebenhandlung um den Psychiater Josef Klemperer, die zunächst die Spannungskurve um Susies Schicksal mit aufbaut, doch schleichend ein zartes Eigenleben entwickelt, das nach dem großen Showdown noch weiterwirkt. Ein schöner Auftritt von ‚Original-Suzy‘ Jessica Harper inklusive.

Insgesamt gibt sich „Suspiria“ (bewusst?) sperrig und setzt sich zwischen alle Stühle. Zu altmodisch für das moderne Horror-Publikum, zu europäisch für die „Conjuring“-Fans, zu unfokussiert und viel zu lang für die Fast-Food-Glotzer, zu brutal fürs Arthouse-Publikum. „Suspiria“ ist alles andere als rund und bleibt manche Erklärung schuldig, entwickelt aber aus eben diesem Grund einen faszinierenden, traumhaften Sog. Man kann nie sicher sein, was in den nächsten Minuten passiert.

Auch die Besetzung ist mehr als großartig und biedert sich nicht an aktuelle Hot-or-Not-Rankings an. Außer einigen Kleinst-Darstellungen werden alle (!) Rollen von Frauen gespielt, wobei Tilda Swinton gleich mehrere Auftritte hat, obschon sie nur als Madame Blanc erkennbar ist. Dakota Johnson spielt sich als Susie endlich frei von dem „50 Shades“-Schmarrn. Mit der Besetzung von Chloë Grace Moretz als Patricia schleicht sich noch ein kleiner Sub-Text in den Film ein, denn Patricia war vor Susie als neuer Körper für Helena Markos vorgesehen. Filmhistorisch gesehen ist Chloë Grace Moretz als Titelfigur im „Carrie“-Remake ebenfalls eine Art Vorgängerin von Dakota Johnson als Susie.

Schön ist auch das Wiedersehen mit Renée Soutendijk („Abwärts“), die in den 80ern ein kleiner europäischer Star war und es als Eve 8 sogar kurz nach Hollywood geschafft hat. Empfehlenswert hierzu: Paul Verhoevens „Der vierte Mann“.

Luca Guadagnino schafft das Kunststück, den Geist von „Suspiria“ zu erhalten und sogar zu erweitern. Grandioser ‚Kunst‘-Horrorfilm europäischer Färbung. Mindestens eine der Horror-Überraschungen des Jahres.


DVD-Facts:
Bild: 1,85:1 (16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 7.1, englisch Dolby Digital 7.1
Untertitel: deutsch. englisch

DVD-Extras:
Interviews