Dorothy Brown: Der Maharadscha und ich (Buch)

Dorothy Brown
Der Maharadscha und ich
Blue Panther Books, 2018, Taschenbuch, 174 Seiten, 9,90 EUR, ISBN 978-3-86277-060-8 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Unter dem Namen Dorothy Brown findet man im Internet einige Einträge zu Personen dieses Namens, aber keinen, der auf die gleichnamige Autorin passt. Recherchiert man weiter, stößt man auf die in Potsdam praktizierende Therapeutin (Massagen, Psycho-, Tanz-, Sexualtherapie) Dr. phil. Dorothée Brüne, die für ihre verschiedenen Publikationen („Luzie und die Suche nach Gott“, „Mein heiß geliebter Tumor“ „Im Land der Stille“, „Tanz mit dem Tod“ etc.) mehrere Aliase benutzt. „Der Maharadscha und ich“ verfasste sie unter dem Pseudonym Dorothy Brown.

 

Sandrine bekommt von ihren Freundinnen Anna und Saira eine gemeinsame Reise nach Indien geschenkt, damit sie endlich mal abschaltet von der Arbeit und ihrem Ex. Das exotische Land gefällt ihr aber überhaupt nicht: Es ist zu feucht-heiß, es stinkt nach Räucherstäbchen, überall hocken nervende Bettler, das Essen schmeckt nicht usw. usf. Mit mehr oder minder echten Kopfschmerzen verkriecht sie sich im Hotelzimmer, um nicht mit den anderen umherziehen und die Sehenswürdigkeiten bestaunen zu müssen.

Unverhofft wird ihr ein Masseur aufs Zimmer geschickt, dessen geschickte Hände nicht nur ihrem Kopf Linderung verschaffen, sondern sie bis zum Orgasmus stimulieren. Von nun an genießt sie die Massagen und schließt sich endlich ihren Freundinnen an. Bei einem Danceoke lernt sie einen attraktiven Inder kennen, der sie zum Dinner ins renommierte Palace Hotel einlädt. Erst später erfährt sie, dass Gajendra nicht nur der Besitzer des Etablissements ist sondern auch der Maharadscha von Udaipur.

Was sie noch herausfindet, ist, dass er einen sehr erlesenen Kunstgeschmack hat und noch erlesenere erotische Gelüste. Fasziniert lässt sie sich auf sein Spiel ein, bis sie von seiner Cousine Rinara erfährt, dass Gajendra es liebt, ‚genommen‘ zu werden. Daraufhin ändert sie mit Rinaras Hilfe die Regeln und spielt mit ihm nach ihren Vorstellungen, was ihnen beiden zusagt.

Sandrine beginnt, Gefallen an Indien und all dem Unbekannten, das sie nun entdeckt, zu finden - an Dingen, denen sie vorher Unverständnis und Ablehnung entgegengebracht hat. Ohne Anleitung eines Gurus erschließt sich ihr der tantrische Sex und damit eine neue Lebensfreude, eine Befreiung von Ängsten und ein völlig neues Verständnis ihres Daseins.


Um es kurz zu machen: Auf den rund 170 Seiten wird dem Publikum eine geballte Ladung Sex in allen möglichen Varianten serviert (Kamasutra-Stellungen, Sextoys, Dominanz-Spiele, Analverkehr, der flotte Dreier, Gangbang), eingebettet in eine dünne Rahmenhandlung. Diese wartet mit drei Freundinnen auf, die sich einen Urlaub gönnen. Die Statistinnen Anna und Saira sind verheiratet, stehen total auf Indien, Yoga und Co., bleiben aber trotz allen Verlockungen ihren Männern treu. Die ledige Sandrine hat mit Indien gar nichts am Hut, will aber ihre Freundinnen nicht enttäuschen, die ihr diese Reise geschenkt haben.

Trotz deren Bemühungen ist Sandrine erst einmal eine Spaßbremse, was sie wenig sympathisch macht, bis sie erste erotische Abenteuer erlebt und daraufhin die anderen mit erotischen Anzüglichkeiten nervt, weil sie plötzlich überall Genitalien und Anspielungen auf den Geschlechtsakt sieht, was recht derb und übertrieben rüberkommt, zumal es in der Öffentlichkeit und nicht im kleinen Kreis passiert (vergleichbar einigen Aktionen, über die man derzeit im Internet liest, wie zum Beispiel der Workshop „Vulven malen“ auf dem Evangelischen Kirchentag 2019 oder ‚Kunst mit Menstruationsblut‘ - was davon zu halten ist und ob Frauen wirklich keine anderen Themen abseits des Unterleibs kennen, während sie gleichzeitig den Männern vorwerfen, das Gehirn zwischen den Beinen zu tragen, kann an anderer Stelle diskutiert werden).

Jedenfalls verfällt Sandrine dem exotisch-erotischen Flair Indiens, sie öffnet sich und bejaht den Sex in phantasievollen Spielarten, wie sie ihn bisher mit ihrem langweiligen, permanent vor der Glotze hängendem Ex nie erlebt hat. Sie gibt ihre Ängste und Tabus auf, wird eins mit allem, was um sie herum ist, fühlt sich davon erregt, erlebt multiple Orgasmen, entdeckt eine völlig neue Sinnlichkeit und letztendlich eine frische, positive Einstellung zum Leben.

Die oberflächliche Rahmenhandlung mal beiseite und auch die deftigen Sex-Szenen nur als Sahnehäubchen gesehen - das Buch beinhaltet Ansätze, die tiefer, aber über den Auftrag hinausgehen, der lautet, (in erster Linie) Leserinnen mit Sex-Fantasien zu unterhalten. Beispielsweise wird angedeutet, dass es nicht bloß das saubere Touristen- oder glitzernde Bollywood-Indien gibt, sondern auch dass der einfachen Menschen, die in schlichten Hütten an unbefestigten, dreckigen Straßen wohnen und mit Gelegenheitsjobs ihre Familien durchbringen müssen. Auf die weiterführenden Problematiken, verursacht durch archaisch-religiös-patriarchalische Strukturen, geht die Autorin lieber nicht ein. Auch darüber, dass Rinaras freies Leben trotz ihrer privilegierten Position eher ungewöhnlich ist, verliert sie kein Wort.

Dass sie sich mit Indien, dem Hinduismus, Massage, Yoga, Kamasutra und den Lehren des Tantra befasst hat, liest man vor allem zwischen den Zeilen beziehungsweise kann es ihrer Biografie entnehmen. Zum Beispiel verspürt Sandrine in sich ein männliches Element und empfindet sich als weniger ‚tussihaft‘, weshalb sie auch keinerlei Probleme hat, Gajendra mit angeschnalltem Dildo zu dominieren und dabei Lust empfindet, als wäre das künstliche Teil ein Stück von ihr selbst. Hintergrund hierfür ist die Dualität, die einer Gottheit oder Person neben ihrem Geschlecht auch eine gegenteilige Seite zuordnet. Shivas Shakti beziehungsweise weibliche Seite ist Parvati, die überdies als seine Frau dargestellt wird.

In der Summe wird aus allem ein erstaunlich komplexer und, die Liebesspiele betreffend, variantenreicher Roman. Die Autorin hätte noch einiges mehr vertiefend einweben können, fühlte sich aber in der Pflicht, Realismus und Esoterik klein zu halten, um die Erwartungshaltung des Publikums, das einen exotischen, erotischen Roman mit grafischen Sex-Szenen wünscht, zu befriedigen. Diesen Auftrag hat sie mehr als erfüllt, so dass man in Richtung der Zielgruppe dem Titel trotz der zeitweilig nervenden Hauptfigur eine Empfehlung aussprechend möchte.