Baker Street Tales 7: Sherlock Holmes und die Dame in Violett, Elisabeth Marienhagen (Buch)

Baker Street Tales 7
Sherlock Holmes und die Dame in Violett
Elisabeth Marienhagen
Titelbild und Innenillustrationen: Shikomo
Arunya, 2017, eBook, 2,99 EUR

Rezension von Elmar Huber

„Damen brauchen aufgrund der Beschaffenheit ihrer Kleider etwas länger, einer Kutsche zu entsteigen als Männer. Ich habe mich in den letzten Wochen damit beschäftigt, die Zeiten genommen und verglichen. Das Ergebnis lässt mich auf zwei Frauen schließen. Der andere Fakt ist, dass die beiden in einem Coupé angekommen sind. Keine Prunkkutsche, aber eine elegante. Die Besitzerin ist gut situiert, vielleicht von Adel.“

Einmal mehr ist weit und breit kein interessanter Fall in Sicht und Sherlock Holmes droht erneut, seine Ablenkung in Rauschmitteln zu suchen, als Lady Jane Elwood und ihre Schwester Caroline Winfield die Räume der Baker Street 221b betreten.

Lady Elwood ist überzeugt, dass ihr Sohn William langsam vergiftet wird. Holmes verweist auf seinen Freund John Watson und dessen medizinische Kenntnisse, doch mit dem Zugeständnis, ihn nach Elwood Manor zu begleiten.

Vor Ort diagnostiziert Watson bei dem vermeintlich Vergifteten die lehrbuchhaften Spätfolgen einer Schilddrüsen-OP als Auslöser der Symptome. Allerdings lässt sich die Mutter nicht von ihrer Überzeugung abbringen, nimmt der Sprössling doch regelmäßig und unter Aufsicht die verschriebenen Medikamente. Und auch Holmes hält nach einigen Beobachtungen plötzlich ein Verbrechen für wahrscheinlich. Es stellt sich die Frage, wer einen Nutzen von Williams Tod hat.

„Unsere Schritte klangen auf dem Trottoir. Viel war nicht los. Selten, dass eine Kutsche an uns vorbeiratterte. Falls eine von hinten kam, nannte Holmes das Fabrikat, und wir prüften, ob er richtig lag, sobald das Gefährt an uns vorbeirumpelte.“


Nach den mysteriösen Ereignissen um die „Ruinen von Rougemont“ („Baker Street Tales“ 6) schreibt Autorin Elisabeth Marienhagen dem Meisterdetektiv wieder einen sehr bodenständigen Fall auf den Leib, der auch das Gefühlsleben der Figuren sehr schön mit einbezieht.

Gleich zu Anfang hängt der Haussegen gehörig schief in der Baker Street, als Holmes droht, in Ermangelung von Verstandesfutter wieder einmal zur Spritze zu greifen. In buchstäblich letzter Sekunde betritt die Dame in Violett, Jane Elwood, die Räume der beiden Herren, um ihren Fall vorzutragen. Objekt des Falls ist jedoch nicht die titelgebende Lady, sondern vielmehr der Filius der Dame, der trotz strikter Einhaltung der ärztlichen Anweisungen, seinem Ende entgegen siecht.

Wie schon des Öfteren entdeckt Holmes ein Motiv in den Familienverhältnissen, die jedoch nicht für jeden klar zutage liegen, am wenigsten für die Elwoods selbst. Dass der Hauptteil seiner dahingehenden Ermittlungen und Vorbereitungen ohne Watsons Beteiligung im ‚Off‘“ stattfinden, ist etwas schade.

Dafür wird man Zeuge von Watsons aufkeimenden romantischen Gefühlen gegenüber der Schwester ihrer Auftraggeberin. Dezent eifersüchtig nimmt er zunächst nur wahr, mit welcher Aufmerksamkeit Miss Winfield seinen Freund Holmes beobachtet, bevor der Knoten endlich platzt. Gewürzt ist der Fall noch mit einigen falschen Spuren, die angedeutet - jedoch nicht aufdringlich - in den Vordergrund gerückt werden.

So darf man zusammengefasst ein „sehr gelungen“ vergeben, und vielleicht, wenn Elisabeth Marienhagen Lust hat, kommen die Leser doch noch in den Genuss der Fälle „Das Geheimnis der silbernen Laterne“ und „Der Papagei der Lady Summers“, die hier genannt werden, bislang aber unaufgeschrieben sind.

Insgesamt legt Elisabeth Marienhagen einen schönen Fall klassischer Bauart vor, der auch Holmes‘ und Watsons persönliche Charakter-Merkmale von Sir Arthur Conan Doyle übernimmt und mit verwendet.