Rogue & Gambit: Feuer und Flamme (Comic)

Kelly Thompson
Rogue & Gambit: Feuer und Flamme
(Rogue & Gambit 1-5: Ring of Fire, 2018)
Titelbild und Zeichnungen: Pere Pérez
Übersetzung: Carolin Hidalgo
Panini, 2019, Paperback, 116 Seiten, 13,99 EUR, ISBN 978-3-7416-1118-6

Rezension von Irene Salzmann

Auf einer idyllischen Insel entdeckt Cerebra mehrere Mutanten, die ganz plötzlich verschwinden. Das erregt Kitty Prydes Misstrauen. Sie sendet Rogue und Gambit in das ‚Therapie-Retreat‘, wo sie sich als das ausgeben sollen, was sie tatsächlich sind: ein Paar mit massiven Beziehungsproblemen, die sie ohne Hilfe nicht lösen können.

Während Gambit hofft, dass die gemeinsamen Tage eine neue Chance für sie beide sein könnten, ist Rogue skeptisch und bleibt abweisend. Zu viel ist zwischen ihnen vorgefallen, sie haben einander unzählige Male verletzt, das Vertrauen ist vielleicht für immer zerstört.

Dann jedoch lassen sie die paradiesische Umgebung auf sich wirken und in den Therapiesitzungen vieles aus sich heraus, worüber nie gesprochen worden war.

Schon nach kurzer Zeit fühlen beide eine Erleichterung. Jeder bedauert, was er dem anderen angetan hat und dass er nicht wusste, wie sich dieser dabei fühlte. Trotz allem, was war, lieben sie einander immer noch und landen prompt im Bett. Aber ihnen bleibt keine Zeit, ihr Glück auszukosten, da sie einen Auftrag haben und ahnen, dass etwas nicht - mit ihnen und der Insel - stimmt.

Rogue und Gambit haben den Eindruck, dass ihre Erinnerungen verwischen, dass Belastendes verloren geht; und definitiv sind ihre Kräfte schwächer geworden. Seit Kurzem kann Rogue ihre Fähigkeit, die Gaben und Erinnerungen anderer über Hautkontakt zu absorbieren, nicht mehr kontrollieren, doch als sie Gambit vorsichtig berührt, spüren beide lediglich ein Kribbeln.

Als sie sich in den Räumen der Therapie-Einrichtung umschauen, stoßen sie auf zahlreiche Duplikate ihrer selbst aus verschiedenen Lebensabschnitten und werden angegriffen.


Bei den „X-Men“ hat es über die Jahre viele dramatische Beziehungen voller Höhe- und Tiefpunkte gegeben, die von verschiedenen Autoren immer wieder neu aufgerollt wurden und werden.

Man erinnert sich beispielsweise an Jean Grey (Marvel Girl, Phoenix) und Scott Summers (Cyclops), die durch Jeans vermeintlichen Tod auseinandergerissen wurden, wonach er Affären mit Colleen Wing und Aleytys Forrester hatte. Später heiratete er Jeans Klon Madelyne Pryor, mit der er einen Sohn, Nathan, hat. Er verließ seine Familie, als Jean zurückkehrte. Beide heirateten, ihre Tochter Rachel (Phoenix, Prestige) stammt allerdings aus einer alternativen Zukunft. Jean starb erneut, und Scott fand Trost in den Armen von Emma Frost (White Queen). Die Beziehung endete mit seinem Tod durch die Terrigen-Nebel der Inhumans. Mittlerweile weilt Jean Grey wieder unter den Lebenden, doch auch der einzige ernst zu nehmende Konkurrent von Scott, Logan/James Howlett (Wolverine) ist tot und durch Old Man Logan aus einer anderen Zeitlinie ersetzt worden.

Ähnlich wechselhaft verlief die Romanze zwischen Kitty Pryde (Sprite, Ariel, Shadowcat, Star-Lord) und Piotr Rasputin (Colossus). Nach ein wenig Händchenhalten wurde das Paar getrennt, da Kitty erst 13 und Piotr ein junger Erwachsener war. Infolgedessen durfte er Affären haben, unter anderem mit Nereel, Zsaji und Neena Thurman (Domino), und aus einer davon ging offenbar ein Sohn hervor, der im Savage Land aufwuchs.

Derweil hatte Kitty wenig Glück mit den jungen Männern, die ihr gefielen, weil diese sich stets in ihre Freundinnen verliebten. Ihre Unschuld verlor sie schließlich an Pete Wisdom während ihrer Zeit bei „Excalibur“, eine Liaison, die nicht lange währte. Ausgerechnet jetzt wollte Piotr ihre einstige Beziehung wieder aufnehmen und wurde abgewiesen. Später opferte er sich, um alle Mutanten vor dem Tod durch den Legacy Virus zu retten, wurde jedoch von einem Alien wiederbelebt. Ein neuerlicher Versuch zusammenzukommen, endete, als Kitty längere Zeit in einem Geschoss im All gefangen war und sie nach der Befreiung ihren Körper nicht mehr materiell werden lassen konnte. Nachdem dieses Problem gelöst war, hatte Kitty einige Dates mit Bobby Drake (Iceman), der sich als homosexuell outete. Es folgte eine kurze Beziehung mit Peter Quill (Star-Lord), doch löste sie die Verlobung wieder. Aktuell hat ihr Piotr einen Heiratsantrag gemacht.

Das dritte Paar, dessen Schicksal die Leser immer besonders fesselte, sind Anna Marie (Rogue) und Remy LeBeau (Gambit). Ohne Übertreibung darf man hier von Liebe auf den ersten Blick und einem Spiel mit dem Feuer sprechen, da schon der geringste Hautkontakt ausreicht, dass Anna die Erinnerungen und Kräfte von Remy aufnimmt und ihn womöglich ins Koma schickt. Natürlich versetzt es ihr einen Stich zu erfahren, dass ihre große Liebe bereits verheiratet war und geschieden ist von Bella Donna Boudreaux. Als Anna und Remy ihre Kräfte vorübergehend verloren hatten, konnten sie ihre Beziehung weiterentwickeln, bis erst die Manipulationen eines Telepathie begabten Aliens und später eine Affäre von Remy mit Foxx einen Keil zwischen sie trieb. Nach der Versöhnung erfährt Anna von den Untaten, die Remy in der Vergangenheit begangen hat, und kann ihm nicht vergeben, so dass sie ihn in Antarctica zurücklässt, was sie bald bereut. Weiterhin versuchen es die beiden immer wieder miteinander in Zeiten des Kräfteverlusts, vorrübergehender Kontrolle und völligem Kontrollverlust, doch immer wieder ereignen sich Dinge, die zu Trennungen führen. Annas Beziehung mit Max Eisenhardt/Erik Lehnsherr (Magneto), der One NIght Stand mit Robert Reynolds (Sentry) und die Romanze mit Wade Wilson (Deadpool) etc. konnten ihre Gefühle für Remy jedoch nie auslöschen.

Freilich gehen auch andere X-Men reizvolle Verbindungen ein, zum Beispiel Storm mit Forge, Black Panther und Wolverine oder Psylocke mit Angel und Fantomexx sowie Nightcrawler mit Daytripper/Magik, Meggan, Cerise und Prestige. Doch keine davon ist auch nur annähernd so dramatisch und langanhaltend inszeniert worden wie die oben genannten. Und welche man am tragischsten und besonders mitreißend findet, entscheidet der persönliche Geschmack.

In dem vorliegenden Paperpack, das die komplette fünfteilige Mini-Serie „Feuer und Flamme“ beinhaltet, werden Rogue und Gambit während einer Mission gezwungen, sich mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit und den Fehlern, die sie gemacht haben, auseinanderzusetzen. Es ist für beide schmerzhaft, sich an die dunkelsten Momente in ihrer Beziehung zu erinnern und zu erfahren, wie sehr man den Menschen, den man über alles liebt, verletzt hat.

Gambit hadert damit, dass er Rogue nicht das Gefühl hatte geben können, dass er es ernst meint und warten würde, bis sie bereit ist für eine echte Beziehung, selbst wenn sie einander niemals würden berühren können; und Rogue bedauert, dass sie aus Angst, ihn irgendwann zu verlieren, immer davongelaufen ist, um nicht verletzt zu werden. Den Frust über ihre Situation haben sie, meist den Umständen geschuldet (Manipulation, Geheimnisse, hässliche Wahrheiten), aneinander ausgelassen und dadurch alles noch schlimmer gemacht.

Obwohl die Therapie-Einrichtung lediglich als Tarnung dient und im Verborgenen üble Dinge passieren, hilft es Rogue und Gambit, sich ihren Gespenstern zu stellen, die dann sogar noch Gestalt - die Duplikate - annehmen. Beiden ist klar, dass sie beenden müssen, was in den verborgenen Laboratorien geschieht, um die verschwundenen Mutanten zu retten. Auch ihre eigene Freiheit hängt davon ab, ob sie den Gegner und ihre eigenen Ebenbilder aus der Vergangenheit besiegen können.

Das Arge daran ist, wenn sie einen Doppelgänger zerstören, erhalten sie nicht nur einen Teil ihrer gestohlenen Kräfte zurück, sondern auch die furchtbaren Erinnerungen, teils welche des anderen. Allerdings wissen sie, dass die Summe ihrer Erfahrungen sie zu dem Menschen gemacht hat, der sie sind. Vieles mag eine Last sein, aber es würde etwas fehlen, wenn die schlechten Erlebnisse ausradiert blieben. Die Bürde mag jedoch leichter sein, wenn man sie gemeinsam trägt.

Im Laufe der Handlung entwickelt sich das Paar weiter und reift. Anfangs ist die Situation stark angespannt, da eine Stichelei auf die andere folgt. Im Rahmen der Therapie fällt noch so manches böse Wort, aber die Erkenntnis, dass man sich nicht allein unverstanden und verletzt fühlte, bewirkt eine langsame Entspannung. Dass diese nicht allein auf die Aussprachen zurückzuführen ist, merken sie trotz ihrer Glückseligkeit.

Die komplizierte Aufarbeitung der Vergangenheit veranschaulichte Kelly Thompson („Hawkeye“, „Jessica Jones“, „Captain Marvel and the Carol Corps“) durch einen ständigen Wechsel zwischen Gegenwartshandlung, Vor- und Rückblenden. Daher weiß der Leser mehr als die X-Men, nämlich dass wirklich Mutanten verschwinden und die Hauptfiguren womöglich in eine Falle tappen, zumal sie durch ihre persönlichen Probleme abgelenkt sind. Nicht immer ist sofort klar, in welcher Zeitebene man sich gerade befindet. Dadurch kann man ein wenig die Verwirrung von Rogue und Gambit nachempfinden, als sie Stück für Stück ihre Erinnerungen und Fähigkeiten verlieren.

Das Auftauchen der Duplikate, welche die beiden in früheren Kostümen zeigen, kann man als eine Hommage von Pere Pérez („X-Men: Gold“, „Deadpool Versus The Punisher“, „Power Man and Iron Fist“) und Frank D’Armata („House of M“, „Mr. and Mrs. X“, „The New Avengers“) an die früheren Zeichner von „Uncanny X-Men“ und „X-Men“ betrachten. Wenngleich sie gar nicht versuchen, den Stil ihrer Kollegen zu kopieren, halten sie sich getreulich an die Frisuren und Outfits, die Rogue und Gambit trugen, als sie von unter anderem Jim Lee, Marc Silvestri und Joe Madureira attraktiv in Szene gesetzt wurden. Langjährige Fans erleben einige Aha-Effekte und erinnern sich sofort an einige Abenteuer aus der jeweiligen Ära. Zudem wird der Wandel der Comic-Mode deutlich, die damals sehr viel raffinierter und nicht unbedingt praktisch war (High-Heels, ‚Swimsuits‘, lange Zierbänder etc.), sich außerdem gefallen lassen musste, dass sie die Heroinnen oftmals zu Sex-Objekten degradierte.

Die Illustratoren setzen das Skript gelungen um. Tatsächlich empfindet man die Zeichnungen im Innenteil sogar ausgewogener und ansprechender als die Titelbilder der US-Hefte.

Eine spannende, packende Mini-Serie, in der die Protagonisten ihre Konflikte auf glaubwürdige Weise lösen und die Chance auf einen Neuanfang erhalten, der sicher auch den diversen „X-Men“-Serien neue Impulse verleihen wird. Action und starke Emotionen sind im genau richtigen Verhältnis vorhanden. Fans der „X“-Titel und insbesondere von Rogue und Gambit werden von diesem vielschichtigen Band begeistert sein.