Heinz J. Galle: Volksbücher und Heftromane - Band 2 (Buch)

Heinz J. Galle
Volksbücher und Heftromane - Band 2
Verlag Dieter von Reeken, 2019, Paperback, 372 Seiten, 22,50 EUR, ISBN 978-3-945807-34-7

Rezension von Carsten Kuhr

Vorhang auf zum zweiten Band um die Geschichte des Heftromans und der Volksbücher. Heinz J. Galle, bekannter Sammler und Fachmann für Alles, was in Richtung Unterhaltungsliteratur in Deutschland publiziert wurde, öffnet erneut sein Schatzkästlein und plaudert aus dem Nähkästchen.


Diesmal geht er auf die Zeit vom Wilhelminischen Kaiserreich bis zur Unrechtsherrschaft der Nazis ein. Er beleuchtet dabei nicht nur die einzelnen Periodika - im Vorwort führt er aus, dass er hier eine Auswahl treffen musste, da gar zu viele Serien (weit über 500 verschiedene Reihen) publiziert wurden -, er versucht dem Leser auch in kurzen einleitenden Kapiteln die jeweilige Zeit näher zu bringen.

 

Das sind dann immer die wahren Highlights bei der Lektüre, wenn er darüber plaudert, wie es etwa im Berlin der wilden 20er Jahre zuging, wie freizügig ja sexbesessen die Menschen ihre Triebe auslebten, aber auch wie gefüllt das Füllhorn der Kulturschaffenden damals war. Berlin war in den 20er Jahren das Zentrum der kulturellen Welt, und das in jeglicher Hinsicht. Musikalisch bestimmten die Orchester Berlins das, was angesagt war, filmisch dominierten die Streifen, die in und um Berlin gedreht wurden die Theater rund um den Globus und auch literarisch erschienen hier ebenso innovative wie überragenden Werke in Erstausgabe. Dies fand auch seinen Niederschlag im Unterhaltungsbereich - die Trivialliteratur blühte, es erschienen Periodika über Periodika, das Gebotene reichte von Detektiv-Romanen und Abenteuer-Stoffen (inklusive Western) oder erotisch angehauchte Liebesromane bis hin zu utopischen Serien.

In den chronologisch aufgebauten Kapiteln lässt der Autor auf sehr vergnüglich und kurzweilige Art und Weise die wichtigsten dieser mittlerweile zumeist lange vergessenen Reihen aufleben. Er führt prägnant aber informativ aus, um was es jeweils ging, berichtet von den dahinterstehenden Verlagen wie Verfassern und beleuchtet allgemein auch die Situation der Verlagsbranche wie der Autorenschaft. Immer wieder geht er dabei auch auf die Leser ein, die abseits des Bildungsbürgertums so ein wenig der Tristesse des kargen Alltags an der Seite ihrer Helden entfliehen konnten. Insbesondere der Wandel der Wünsche der Leser wird porträtiert, Einflüsse von Kino und versuchter Zensur behandelt. Auch die Übernahme von Reihen aus den USA und die Beeinflussung durch Dime-Novels wird thematisiert.

Man kann dem Verlag / Herausgeber und dem Autor nicht genug für diese Arbeit danken, nagt doch der Zahn der Zeit an den entsprechenden Werken. Damals auf billigem, stark holzhaltigem Papier gedruckt, zerfallen die Hefte buchstäblich zu Staub. Nach zwei Weltkriegen und der Arbeit der oft selbst ernannten Jugendschützer, die entsprechende Schund- und Schmutzliteratur gerne auf dem Scheiterhaufen verbrannt hätten, sind so schon wenige Exemplare erhalten geblieben.

Ebenfalls sehr interessant bietet sich die fundierte Beschreibung der Gängelungen durch die Zensurbehörde der Nazis an. Was Papierknappheit und die galoppierende Inflation nicht schafften, das merkliche Ausdünnen der Reihen, das erreichte die Reichsschrifttumskammer durch die Papierzuweisungen. Auch auf den - erfolgreichen - Versuch des Regimes, mittels verharmlosender Darstellung der Glorie des Krieges in Landser-Romanen die Bevölkerung für selbigen zu begeistern, geht Galle ein.

Alles in allem hat der Verfasser hier eine sehr angenehm kurzweilig zu lesende, mit unzähligen Abbildungen versehene Arbeit vorgelegt, die dem Interessierten nicht nur die Unterhaltungsliteratur unserer Urgroßeltern näher bringt, sondern diese auch erfolgreich ins Zeitbild einordnet.