Fabienne Siegmund, Vanessa Kaiser, Stephanie Kempen & Thomas Lohwasser (Hrsg.): Geschichten aus den Herbstlanden (Buch)

Fabienne Siegmund, Vanessa Kaiser, Stephanie Kempen & Thomas Lohwasser (Hrsg.)
Geschichten aus den Herbstlanden
Titelbild und Illustrationen: Jana Damaris Rech und Nina Schellenbach
Verlag Torsten Low, 2018, Paperback, 414 Seiten, 14,90 EUR, ISBN ISBN 978-3-940036-48-3

Rezension von Christel Scheja

Vor gut zwei Jahren erschienen die „Herbstlande“, ein Gemeinschaftsprojekt der vier Personen, die nun bei den „Geschichten aus den Herbstlanden“ als Herausgeber fungieren. Denn der phantasievolle Hintergrund, den sie damals mit ihrem erstaunlich konsequenten Roman geschaffen haben, bietet so viel mehr Platz für kleine und größere Abenteuer von sehr unterschiedlichen Autoren, die sich von der Welt haben verzaubern lassen.

 

Drei sehr unterschiedliche Reiche vereinen sich zu den Herbstlanden, der „September“, der voller Fülle und Reichtum ist, manchmal auch noch so leicht und beschwingt, wie der Sommer. Im „Oktober“ herrschen leuchtende Farben vor, aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass sich die Natur darauf vorbereitet, zu vergehen. Noch einmal zeigt sie sich in voller Pracht und bietet Nahrung im Überfluss, ehe dann der „November“ kommt. Dunkel, kalt und grau kommt das Leben zum Erliegen und die Menschen müssen sich mit den negativen Seiten ihres Lebens auseinander setzen.


Über dreißig Geschichten, natürlich auch von den Herausgebern selbst, finden sich in dieser Sammlung. Darunter sind bekannte Namen der Szene wie Thilo Corzilius, Lena Falkenhagen, Bernd Perplies, T. S Orgel, die ihren Lebensunterhalt mit dem Schreiben verdienen, aber auch „Hobby-Autoren“.

Sie alle erwecken mit ihren Erzählungen neue Aspekte der Herbstlande zum Leben. Gerade der September und Oktober wird in all seinen Facetten zum Leben erweckt, in den November selbst wagen sich nur sehr wenige der Autoren, auch wenn einige sich nicht scheuen schon im Oktober anklingen zu lassen, dass das Ende eines Zyklus’ naht.

Dabei geht es nicht nur um Kinder und Erwachsene dieser Welt, die in die Herbstlande reisen, sondern auch um die Geschöpfe, die dort leben und nichts anderes kennen als ihre kleine, märchenhaft scheinende Welt, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.

Genauso facettenreich wie die Szenarien, die sich die Autoren ausgesucht haben, sind aber auch die Themen mit denen sich die zahlreichen Geschichten beschäftigen.


Da gibt es zum Beispiel den berührenden Umgang mit dem Tod und dem Abschiednehmen, wie in „Muriel Haselmaus“ und „Herbstlaub“, dem langsam heranschleichende Grauen in „Bannkreis“ oder „Oktoberwind“, in dem der Autor auch mit nur allzu bekannten Märchen-Motiven spielt und doch die Erwartungen auf den Kopf stellt.
Dann gibt es wieder genügend Erzählungen voller Hoffnung und neuen Chancen, wie „Die Welt der tausend Spiegel“, in der die Heldin einen neuen Weg findet, „Kastanienreise“, in der Feen einer Dryade helfen und die Figuren am Ende gestärkt und aufgemuntert werden.
Doch den meisten Stimmungsbildern und märchenhaften Geschichten ist tatsächlich anzumerken, dass die Autoren bewusst einen Hauch von Melancholie mitschwingen lassen, und wenn es nur darum geht, das Alte und Vertraute hinter sich zu lassen und in eine neue Phase des Lebens überzugehen.
Das trifft nicht nur auf die Menschen unserer Welt zu, die unfreiwillig durch die Herbstlande wandern, sondern auch auf die zahlreichen Geschöpfe, die dort leben. Egal ob Blätterdrachen, Feen oder andere - sie alle werden mit dem Wandel konfrontiert, der die Jahreszeit mit sich bringt.


So märchenhaft und verspielt die Geschichten auch mit bekannten Versatzstücken spielen, so ernst und einfühlsam gehen sie doch mit den ernsteren Themen um, teilweise so gut, dass die Autoren es schaffen, Leser zu Tränen zu rühren und dann doch wieder beruhigt zurück zu lassen.

Tatsächlich zieht die Anthologie mit dem Roman gleich, was den Inhalt angeht. Die Sammlung erweist sich als Kleinod voller faszinierender Geschichten, die frischen Wind in die märchenhafte Fantasy bringt und mit manch einem Klischee aufräumt. Dabei wirkt keine der Erzählungen aufgesetzt oder übertrieben; alle fügen sich wunderbar in den Hintergrund ein und verbinden bereits bekannte Aspekte mit neuen Idee.

Für zusätzliche Atmosphäre sorgen die zahlreichen Illustrationen von Jana Damaris Rech und Nina Schellenbach, die jeder Geschichte ein passendes Gesicht geben und die Sammlung mehr denn je zu einem Schmuckstück machen.

Wer schon von „Herbstlande“ begeistert war, sollte auch die „Geschichten aus den Herbstlanden“ nicht verschmähen, denn die Anthologie bietet ähnlich berührende und atmosphärische Geschichten und Stimmungsbilder, von denen keine wie die andere ist, sondern immer neue Facetten des Hintergrunds zum Tragen kommen lässt, ohne dabei jedoch auf den immer gleichen Klischees des Genres herum zu reiten.

Die Sammlung ist sowohl inhaltlich wie auch gestalterisch ein kleines Juwel, das gerade Fans märchenhafter Fantasy nicht im Regal stehen lassen sollten, wenn sie sich von den vielen bunten Farben des Herbstes verzaubern lassen wollen.