Gruselkabinett 139: Der Rabe, Edgar Allan Poe (Hörspiel)

Gruselkabinett 139
Der Rabe
Edgar Allan Poe & Marc Gruppe (Script)
Sprecher: Johannes Raspe, Kristine Walther, Reinhilt Schneider u.a.
Titelbild: Ertugrul Edirne
Titania Medien, 2018, 1 CD, ca. 67 Minuten, ca. 8,99 EUR, ISBN 978-3-7857-5719-2

Rezension von Christel Scheja

„Der Rabe“ ist eigentlich nur ein Gedicht aus der Feder von Edgar Allan Poe (1809-1849), dessen Inhalt wohl kaum ausreicht, um ein Hörspiel zu füllen. Deshalb bediente sich Marc Gruppe eines Tricks und bindete das lyrische Werk gekonnt in die ebenfalls von dem Autor stammende Geschichte „Ligeia“ ein.

 

Der junge Engländer Noel Baron lernt auf seiner Reise durch Deutschland an den Ufern des Rheins eine junge Dichterin kennen und lieben. Lady Ligeia ist eine melancholische, aber auch leidenschaftliche Schönheit, der man nur verfallen kann, und so beginnt er eine leidenschaftliche Affäre mit ihr. Doch dann rafft eine schwere Krankheit die verträumte Schöne dahin und er kehrt nach Hause zurück, nur um dort schon bald Lady Rowena zu ehelichen.

Diese muss im Schatten ihrer Vorgängerin leben, erfährt im Gegensatz zu dieser nicht Liebe, sondern Leid durch Noels Hände; was nicht ohne Folgen bleibt, denn der Schatten der Toten fordert schon bald sein Recht…


So wie auch das Gedicht „Der Rabe“ die Trauer um eine verlorene Geliebte beklagt und dabei mit den Symbolen des Todes spielt, dreht sich in dieser Geschichte alles um genau dieses Thema. Um deutlich zu machen, wie sehr Noel Baron der schönen Sirene Ligeia verfallen ist, gibt es anfangs sogar viele recht schwülstige Liebesschwüre und sogar angedeutete erotische Szenen.

Die Besessenheit des Mannes ist ebenfalls faszinierend umgesetzt, denn man beginnt den anfangs noch sympathischen Mann bald wegen dem zu hassen, was er seiner zweiten Frau antut. Johannes Raspe fängt diesen Wandel durch sein Spiel ausgezeichnet ein; am Anfang ist sein Noel noch sehr naiv und verträumt, am Ende ein grausamer Wahnsinniger, der nur noch eines will, egal um welchen Preis.

Das Hörspiel fängt gekonnt die düsterromantische Stimmung beider Geschichten ein - es bleibt den Handlungsmustern und der Atmosphäre der Gothic Novel treu. Außerdem wird das Gedicht mit seiner Symbolkraft sehr gut in die Geschichte eingebunden und verstärkt deren Wirkung noch mehr. Auch die Musik und die Geräuschkulisse sind passend gewählt und runden das Hör-Erlebnis wieder einmal ab.

„Der Rabe“ ist eine gelungene Symbiose eines Gedichts und einer Geschichte von Poe, die vor allem Fans düsterromantischer Gaslicht-Romane anrühren dürfte, denn es enthält alle Elemente, die dieses Genre so faszinierend machen: Leidenschaft und Grusel, Spannung und Drama.