Caliban - Odyssee ins Grauen (Comic)

Garth Ennis
Caliban - Odyssee ins Grauen
(Caliban 1-7, 2014)
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Zeichnungen: Facundo Percio
Panini, 2017, Paperback mit Klappenbroschur, 176 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-7416-0241-2

Rezension von Elmar Huber

Eine Zukunft, in der die Rohstoffe der Erde längst aufgebraucht sind und die Menschen dank Hyperraum-Technik unvorstellbare Distanzen im Weltraum zurücklegen können: Das Raumschiff „Caliban“ ist in der Lage mit einer vergleichsweise winzigen Besatzung durch den Hyperraum zu fliegen. Ihre Fracht sind hunderte Minenarbeiter und Geologen im Kälteschlaf, die zwecks Rohstoff-Abbau zu gigantisch weit entfernten Planeten befördert werden.

Urplötzlich ‚rammen‘ sie während der Hyperraum-Passage ein anderes Raumschiff, was in diesem Zustand labiler physikalischer Gesetze bedeutet, dass beide Schiff miteinander ‚verschmelzen‘ und fortan ein einziges bilden. Noch während die Überlebenden der „Caliban“ dabei sind, sich ein Bild der Schäden zu machen und mehr über das fremde Schiff herauszufinden, dessen ursprüngliche Besatzung offenbar lange tot ist, kommt etwas von dem fremden Schiff herüber, das sich unerkannt unter den Menschen bewegen kann.


Allen Kritikern, die in der Story ‚nur‘ eine „Alien“-Kopie sehen, nimmt Garth Ennis („Preacher“) im Vorwort zumindest etwas den Wind aus den Segeln, indem er ihnen recht gibt, sich aber gleichzeitig erklärt. Er hätte sich, als er von Ridley Scotts Plänen für „Prometheus“ (das „Alien“-Prequel, mit dem Ur-Regisseur Scott wieder ‚die Kontrolle‘ über das Franchise übernahm), Gedanken gemacht, wie dies aussehen könnte. „Prometheus“ sah schließlich anders aus, doch hatte Ennis schon so viele Ideen, die zu schade für die Mülltonne waren, sodass er daraus einfach „Caliban“ gemacht hat.

Doch ja, „Caliban - Odyssee ins Grauen“ ist nicht mehr als eine von Anfang bis Ende deutlich erkennbare „Alien“-Variante, aber auch nicht weniger. Die Charakterisierung der Personen ist souverän in die Handlung eingebettet, und neue, effektvolle Ideen sorgen für die notwendigen Überraschungsmomente in der grundlegend bekannten Story.

Zum einen sind da natürlich die beiden verschmolzenen Raumschiffe - Außenwände des Alien-Schiffs gehen plötzlich mitten durch die Flure der „Caliban“ und umgekehrt, sodass man sich ohne größere Probleme zwischen den Schiffen bewegen kann. Damit einher geht auch, dass nach dem Crash einige Menschen plötzlich halb in Wänden stecken und in dieser Stellung ihr Leben aushauchen.

Auf der großen Leinwand wären dies sicherlich grandios-verstörende Effekte, die, gemeinsam mit einigen Splatter-Spitzen, auch den Comic auf das 16+-Regal rücken.

Die Bedrohung durch ein fremdes Lebewesen, das die Mannschaft der „Caliban“ einen nach dem anderen tötet, ist sogar perfider ausgefallen als bei „Alien“, da das Wesen unerkannt von Körper zu Körper wechseln kann, was Freund und Feind ununterscheidbar macht. Am Überzeugendsten, abseits aller Schrecken und Katastrophen, ist jedoch die sich unsicher entwickelnde lesbische Beziehung zwischen der fürsorglichen Nomi und der toughen San, die im Angesicht dieser tödlichen Bedrohung aufkeimt und die, dank Ennis' Talent, weder aufgesetzt noch störend wirkt. Skizzenhaft bleibt dagegen, was es mit der ursprünglichen Besatzung des fremden Schiffes auf sich hat.

Wenn es um die zeichnerische Umsetzung eines SF-Horror-Szenarios geht, denkt man bestimmt nicht zuerst an Facundo Percio. Dessen puppenhafte Gesichter haben noch in „Fashion Beast“ grandios gepasst, wirken hier zusammen mit der langweiligen Kolorierung zu steril. Ein anderer Künstler hätte vermutlich noch einige Stimmungspunkte rausholen können.

Die „Alien“-Variante „Caliban“ wartet mit einigen guten Ideen auf, ist allerdings nicht eigenständig genug, um vollauf zu überzeugen.