Tomoe 1: Göttin des Wassers (Comic)

Tomoe 1
Göttin des Wassers
Autor: Jack Manini
Zeichnungen: Tieko
Übersetzung: Julika Herzog
Panini, 2018, Hardcover, 56 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-7416-0672-4

Rezension von Irene Salzmann

Über das Leben der Samurai-Kriegerin Tomoe Gozen wird im „Heike Monogatari“ berichtet. Da es verschiedene Fassungen des Werks gibt, existieren entsprechend viele Versionen dieser Geschichte, die alle ein wenig voneinander abweichen, was die Herkunft, die Beziehungen und das Ende dieser allseits gerühmten Frau betrifft. Man vermutet, dass sie um 1157 geboren und um 1247 gestorben ist. Ihre Loyalität gehörte Minamoto no Yoshinaka, der bei der Schlacht von Awazu 1184 getötet wurde, während Tomoe die Flucht gelungen sein soll.

Ihre Person inspirierte unter anderem Jessica Salmonson zu einer Fantasy-Trilogie, von der die ersten beiden Bände vor Jahren bei Bastei Lübbe erschienen sind und die leider vergriffen ist. Nun liegt auch ein Comic vor, geschaffen von Jack Manini, Autor einer Vielzahl von überwiegend fantastischen Serien, und illustriert von Tieko, über den man nichts Näheres erfährt.


Japan, Mitte des 15. Jahrhunderts: Die Muromachi-Epoche unter den Ashikaga-Shogunen neigt sich ihrem Ende und der Sengoku-Ära, einer langen Zeit des Bürgerkriegs, entgegen. Die aufstrebenden Daimyo verlangen nach mehr Macht und Einfluss, seit Ashikaga Yoshimasa erwägt, von dem Amt zurückzutreten und seinen Bruder Yoshimi zum Nachfolger zu machen. Spät und unerwartet bringt Yoshimasas Frau doch noch einen Sohn zur Welt, Yoshihisa, der nun der neue Anwärter auf das Shogunat ist.

Hinter den Kulissen ziehen die rivalisierenden Daimyo der Hosokawa und Yamana an den Fäden, um sich und ihren Favoriten in die günstigste Position zu bringen. Aber auch Sei, Yamanas Tochter und Hosokawas Gemahlin, schmiedet Pläne gegen die beiden ihr verhassten Männer. Da sie mittlerweile vom Kaiser ein Kind erwartet, sieht sie ihre Chance gekommen und sucht einen starken Verbündeten, den sie in dem Piraten Yoshinaka findet.

Auch dieser erhofft sich Großes für seine Zukunft: die Rückkehr des legendären Paares Yoshinaka, einem Ahnen in seiner Person, und Tomoe, deren Geist, die Reinkarnation der Wassergöttin, er in der jungen Sayo spürt. Yoshinaka lässt das Dorf des Mädchens überfallen und alle Bewohner töten. Allein Sayo, die sich nun Tomoe nennen muss, überlebt und soll in den nächsten Jahren nach Yoshinakas Willen geformt werden, damit sie ihm eine starke, loyale Ehefrau und Gefährtin ist.

Tomoe lehnt es jedoch ab, die Gemahlin des älteren Mannes und Mörders ihrer Angehörigen zu werden und lässt sich mit dessen Sohn, dem gleichaltrigen Oda, ein. Als das Paar fliehen will, müssen sie erkennen, dass sie verraten wurden. Obendrein setzt Yoshinaka Oda als Druckmittel ein, um Tomoe gefügig zu machen.


„Das erste „Tomoe“-Album erklärt dem Leser in groben Zügen den Mythos, der sich um die mittelalterliche Kriegerin rankt, gibt den historischen Kontext vor und führt die Akteure ein, von denen einige reale Vorbilder haben, während andere rein fiktiv sind. Der kurze Anhang geht etwas näher auf die Dinge ein, die in den Dialogen lediglich angerissen werden.

Die Blüte des Ashikaga-Shogunats ist vorüber. Die Schwäche dieser mächtigen Männer und der Machthunger der Daimyo legen den Grundstein für das Chaos, das schon bald ganz Japan überziehen soll. Auch Bauern, Piraten und andere Gruppen, die ausgebeutet werden oder am Rande der Gesellschaft leben, werden in die Konflikte hineingezogen, wobei natürlich jeder hofft, seine persönliche Situation zu verbessern. Letztendlich kämpft jeder gegen jeden, wie man anhand der Protagonisten erahnen kann.

Die Titelheldin ist zunächst ein junges, mutiges Mädchen, das alles verliert, weil sie in den Plänen des Piraten Yoshinaka eine bedeutende Rolle spielt. Sie widersetzt sich ihm, so gut sie kann, ist aber von vornherein chancenlos. Zwar lässt er sie eine Weile gewähren, doch nur weil es ihm dienlich ist und sie ihm dadurch in die Hände spielt. Zwar regt sich tatsächlich der Geist ihrer Ahnin in ihr, doch erst die Folgebände werden zeigen, ob sie ihre Talente auch zum eigenen Nutzen einsetzen kann. Derweil spinnen die Fürsten ihre Intrigen, was auch Yoshinaka neue Möglichkeiten eröffnet.

Die Handlung ist spannend inszeniert und erschließt sich leicht. Die Darstellung der Charaktere wirkt realistisch, denn es gibt nicht nur schöne und edle Menschen, sondern auch hässliche und verderbte, die ihre Neigungen ausleben. Die vagen Fantasy-Elemente sind vergleichbar dem, was man aus Wuxia-Filmen kennt.

Obschon sich der Zeichner zweifellos Anleihen bei japanischen Holzschnitten u.nd Ähnlichem holte, hält er sich an die klassische frankobelgische Schule und bemüht keine Manga-Klischees. Das Resultat ist sehr ansprechend und passend.

Man darf gespannt sein, wie es weitergeht - auf jeden Fall ein reizvoller Comic für die Freunde historischer und vor allem auch asiatischer Abenteuer.