Signal to Noise (Comic)

Signal to Noise
(Signal to Noise)
Text: Neil Gaiman
Illustrationen & Design: Dave McKean
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Panini, 2010, Hardcover, 100 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-86607-932-8

Rezension von Britta van den Boom

Was erwartet man, wenn man einen Comic zur Hand nimmt? Unterhaltung. Was bekommt man bei „Signal to Noise“? Einen gewundenen Pfad in eine beunruhigende Dämmerzone, die uns allen jeden Tag bewusst ist und doch unvertraut, weil wir es vermeiden, sie zu betrachten. Es ist ein Buch, das man an einem hellen Frühlingstag lesen kann und das dann trotz des Lichts in einen kriecht und es kühler werden lässt.

 

In einer hypnotischen Kombination aus prägnanten, starken Texten von Neil Gaiman und collagenhaften, meist dunklen Bildern Dave McKean ist man als Leser zu Gast in den Gedanken eines Filme-Machers, der kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag erfährt, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat. Sein ganzes Dasein ist plötzlich komprimiert auf die letzte verbliebene Zeit - was ergibt Sinn, womit kann sie gefüllt werden? Unfähig, vor den Tatsachen zu fliehen, bleibt der Hauptperson nur, nach den „Signalen in den Störgeräuschen“ zu suchen, nach dem, was sich als wirklich und wichtig herauskristallisiert. Er schreibt das Drehbuch zu seinem letzten Film, den er niemals selber umsetzen oder sehen wird, hinterlässt, wie er es sagt, „eine Spur aus Papier wie ein Kind, das sich im Wald verläuft“. 


Es sind Sätze wie diese, scheinbar schlicht, aber zugleich schwer und bedeutsam, die einen immer wieder zwischen den Bildern ins Straucheln bringen, da sie einen zu nahe an sich selber heranführen. „Signal to Noise“ ist keine einfache Geschichte, denn es ist unsere, der wir eines Tages begegnen werden. Was ist wichtig? Was bleibt? Es gibt - natürlich - keine echte Antwort auf diese Fragen, und beide Künstler versuchen auch nicht, eine zu implizieren. Und doch gelingt es ihnen, eine Art von pragmatischem Trost zu spenden: Die Welt geht weiter. Auf dieser Seite des Todes bleibt die Erinnerung. Was auf der anderen ist, wissen wir nicht.

Die bedrückende, aber letztlich auch befreiende Poesie von Gaimans Texten bleibt genau im richtigen Mittelmaß, wird nie zu pathetisch, ist nie zu wenig. Die Illustrationen Dave McKeans reichen von schlicht zu prachtvoll, von schwarz-weiß zu unerwartet farbig, von detailverliebt zu unscharf, sind Alltag und Vision im Wechsel. Foto-Collagen und Zeichnungen, Malereien in verschiedenen, den Szenen entsprechenden Stilen und das Spiel von Licht und Dunkelheit erschaffen ein Kaleidoskop von Emotionen.

„Signal to Noise“ ist ein Buch, auf das man nicht vorbereitet sein kann. Wenn man sich darauf einlässt, berührt es. Wie Jonathan Carroll in seinem sehr schön geschriebenen und ausführlichen Vorwort richtig sagt, gibt es keine echte Bezeichnung für eine solche Kombination aus Bild und Text, denn weder ‚Comic‘ noch ‚Graphic Novel‘ beschreibt das künstlerische Zusammenspiel der beiden Ebenen ausreichend. Wie die weiteren erläuternden Vorworte der beiden Künstler zeigen, ist es zudem eine Geschichte, die derartig universal ist, dass sie sich auf weitere Medien übertragen ließ und auch als Film und Hörspiel umgesetzt wurde.

Ergänzt wird die Haupterzählung durch drei weitere kurze Kooperationsprojekte Gaimans und McKeans, die als eine Art Einstimmung voran gestellt werden und von sehr experimentell bis zu philosophisch reichen und zeigen, dass die Verschmelzung von Worten und Bildern tatsächlich zu einer ganz eigenen, sehr ausdrucksstarken eigenen Kunstform werden kann.