Brandon Mull: Fabelheim (Buch)

Brandon Mull
Fabelheim
(Fablehaven, 2006)
Aus dem Amerikanischen von Hans Link
Titelgestaltung von HildenDesign unter Verwendung einer Illustration von Michael Kutsche
Penhaligon, 2009, Hardcover, 348 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-7645-3022-8

Irene Salzmann

Da die Eltern von Kendra und Seth zu einer Kreuzfahrt nach Skandinavien eingeladen wurden, müssen die Kinder ihre Ferien bei den kauzigen Großeltern verbringen. Diese und ihre beiden Angestellten sind von der kurzfristigen Planung ebensowenig begeistert wie die Enkel. Schon das alte, abgelegene Haus wirkt wenig einladend, und die komischen Regeln, denen sie folgen sollen, scheinen oft sinnlos und wecken den Widerspruchsgeist.

Und so dauert es nicht lange, bis Seth, trotz des Verbots, in den Wald läuft und erste unangenehme Erfahrungen macht. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, mit Kendra erneut dem Pfad durch das Dickicht zu folgen. Prompt entdecken die Kinder Dinge, an denen sie besser nicht gerührt hätten, und können nur mit viel Glück dem Zauber entkommen, den die unheimliche Alte aus dem baufälligen Schuppen ihnen nachsendet. Allerdings weiß Großvater Sorensen nun, dass sich die beiden nicht an die Vereinbarung gehalten haben, was Konsequenzen nach sich zieht.

Seths Reue verfliegt schnell. Nachdem er und Kendra von der Milch probierten, die den Insekten täglich hingestellt wird, sehen sie ihre Umgebung plötzlich mit ganz anderen Augen: Um sie herum tanzen wunderschöne Feen. Statt sich zu ängstigen, sind die Kinder fasziniert und wollen mehr erfahren. Weil sie diese Prüfung bestanden haben, weiht der Großvater Kendra und Seth endlich in das Geheimnis von „Fabelheim“ ein, einem von wenigen Orten, an dem Wesen leben, die jeder nur aus Sagen und Märchen kennt. Hier finden die seltsamsten Kreaturen Schutz, aber dieser dient auch den Menschen, denn die magischen Geschöpfe sind launisch und können viel Unheil anrichten.

Tatsächlich zeigen sich schon bald die dunklen Seiten Fabelheims, denn erneut bricht Seth, wenn auch unabsichtlich, eine Regel, so dass sich alle den Zorn der Fabelwesen zuziehen. In der Mittsommernacht wüten sie schlimmer denn je, zurück bleibt nichts als Chaos, und der Großvater wurde entführt. Nun sind die Kinder auf sich allein gestellt und müssen viele Gefahren bewältigen, um alles wieder in Ordnung zu bringen – falls das überhaupt möglich ist, denn es gibt Mächte, die das Ende von Fabelheim wünschen und die bekannte Welt verändern wollen.

Den amerikanischen Autor Brandon Mull kennen die meisten Phantastik-Freunde sicherlich durch seine – in den USA mittlerweile vier, in Deutschland ist der zweite Band angekündigt – „Fabelheim“-Romane, die bei Penhaligon erscheinen. Auch jüngeren Lesern dürfte er ein Begriff sein seit „Belindas magische Bonbon-Bar“ (SchneiderBuch). Wer in diese Bücher schon hinein geschnuppert hat, weiß, dass er mit einer dicken Portion beste Fantasy-Unterhaltung rechnen darf und dass es keine Rolle spielt, ob man zu den Jüngeren oder Älteren zählt, denn selbst das, was als Jugendbuch angeboten wird, ist nicht ohne und vermag auch das reifere Publikum zu überzeugen.

Brandon Mulls Protagonisten sind jung und selbstbewusst. Sie müssen sich Abenteuern stellen, die harmlos beginnen und immer gefährlicher werden, vielleicht sogar schon zu gefährlich für ängstliche Gemüter. Von daher sollten junge Fantasy-Fans (ab 12 Jahre) einige Lesererfahrung mitbringen.

Für Kendra und Seht, die Hauptfiguren, beginnen die Ferien alles andere als erfreulich, denn sie werden von ihren Eltern zu Oma und Opa in die Einöde abgeschoben. Vor allem junge Leser können den Verdruss und das Aufbegehren der Kinder nachempfinden. Natürlich gibt es gleich erste Geheinisse, Schwierigkeiten und erstaunliche Abenteuer, die die Neugierde wecken und wachhalten bis zur letzten Seite. Zusammen mit Seth und Kendra erfährt man, dass die strengen Regeln ihrem Schutz und gleichzeitig als Prüfungen dienten, denn die Großeltern sind betagt und suchen geeignete Nachfolger, die sich um Fabelheim und seine gefährlichen Kreaturen kümmern möchten.

Und schon ist man mittendrin in einer faszinierenden Geschichte, die ständig mit Überraschungen und unvorhersehbaren Wendungen aufwartet. Seth ist wissbegierig, mutig, will immer mit dem Kopf durch die Wand, er hält sich selten an die Gebote und wird dadurch zur treibenden Kraft. Kendra als die Ältere ist ängstlicher, vorsichtiger und bedächtiger. Trotz der auf den ersten Blick hin typischen Rollen sind die Handlungsanteile ausgewogen und nicht zu klischeehaft, und Kendra weiß am Schluss entscheidende Impulse zu geben. In Folge finden Mädchen und Jungen gleichermaßen geeignete Identifikationsfiguren. Auch die übrigen Charaktere erfüllen ihren Zweck und warten mit interessanten Hintergrundgeschichten und Details auf, die ihren Teil zu der atmosphärisch dichten Story beitragen.

Der Autor erzählt flüssig und routiniert, seine Sprache ist zeitgenössisch, ohne in den Jargon abzurutschen. Es gelingt ihm, die Leser zu fesseln, so dass man am Ende des in sich abgeschlossenen Romans gespannt der Fortsetzung entgegen fiebert. Zwar werden alle relevanten Fragen beantwortet, doch die Weichen für das Kommende sind unauffällig gestellt worden.

„Fabelheim“ bietet eine spritzige Geschichte, die sich zu einem packenden Abenteuer ohne einen Moment Leerlauf steigert, dazu sympathische, nachvollziehbare Figuren und viel Magie für Fantasy-Freunde aller Altersstufen. Ein wirklich tolles Buch, das mit „Harry Potter“, „Spiderwick“ und vergleichbaren Titeln mithalten kann!