Lukas Hainer: Das dunkle Herz (Buch)

Lukas Hainer
Das dunkle Herz
ivi, 2018, Hardcover, 380 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-492-70472-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Gunther Barnewald

Vor zehn Jahren verschwand der drei Jahre ältere Bruder (Ben) der heute 14jährigen Anna. Als sie und ihre Eltern einem Trauergottesdienst für den verschwundenen Jungen beiwohnen, wird dem Mädchen plötzlich schlecht und schwindelig und sie findet sich von einer Sekunde zur anderen in einer fremdartigen Wüstenstadt wieder.

Wie kam sie hierher und warum? Anna merkt sehr schnell, dass sie nicht die einzige ist, die es sehr abrupt in diese seltsame Stadt verschlagen hat, aus der es erst einmal kein Entkommen zu geben scheint, denn alle, die die Stadt verlassen, finden sich schon nach kurzer Wanderschaft wieder vor den Mauern der halb zerfallenen Oase wieder. Da es nur wenige Wasserquellen und nur eine Nahrungsmittelplantage zu geben scheint, entbrennt bald ein heftiger Kampf um die raren Ressourcen.

Anna findet sich plötzlich zwischen zwei aggressiven Gruppen wieder, die bereit sind, alles für ihr Überleben und den gegenseitigen Hass zu riskieren.

Dann erhält sie überraschend Nachricht von ihrem verschollenen Bruder, der wohl dereinst auch in dieser Welt gestrandet war. Doch kann sie ihn und sich retten? Kann sie überhaupt jemanden retten, während die Aggression zwischen den Einwohnern immer mehr zunimmt und dies die ersten Menschenleben fordert?


Lukas Hainer ist ein geschickter Erzähler, dessen Stärke nicht nur in der Entwicklung toller und glaubhafter Charaktere liegt, sondern auch in der Ausarbeitung einer spannenden und dabei noch wunderbar exotischen Atmosphäre.

Da der Autor schon nach wenigen Seiten „ans Eingemachte geht” und seine Protagonistin gleich in die fremde Welt versetzt, kann man ihm langes Zögern und Zaudern gar nicht erst vorwerfen. Dies führt dazu, dass die Handlung fast von der ersten Seite an packend und interessant ist.

Wer einen Film wie „Dark City“ mag oder sich noch an Edmund Coopers Roman „Sea-Horse in the Sky“ (dt. als „Die Herren des Kosmos“, sowohl bei Heyne als auch später bei Goldmann) erinnert und das hier zugrunde liegende Sujet (abrupte Entführung von Menschen in eine unbekannte, rätselhafte Umgebung) mag, der wird sich auch für „Das dunkle Herz“ begeistern können.

Ähnlich einem Krimi gilt es für die neuen Bewohner der Wüstenstadt zu enträtseln, wer sie warum entführt hat und wie sie eventuell wieder nach Hause gelangen können (wobei man hier das kriminalistische Element durch gefundene Aufzeichnung in der Wüstenstadt etwas mehr hätte betonen können). Dabei zeigt sich, dass die Entführten von Kleinkindern bis zu noch jungen Erwachsenen reichen und alle aus Kontinentaleuropa zu stammen scheinen. So ist Anna nicht die einzige Deutsche. Neben einer jungen polnischen Ärztin, einem dicken Russen, einem griechischen Jungen in Annas Alter und auch zwei jungen Türken sind noch einige andere Ahnungslose in die Stadt gelangt.

Bald zeigt sich jedoch, dass der Mensch sich einmal wieder selbst der größte Feind ist und Anna obliegt die Aufgabe, ein Bündnis zu schmieden, welches vielleicht als Einziges die Heimkehr aller Überlebenden ermöglichen könnte. Eine wahnwitzige und nahezu unmögliche Aufgabe für die junge deutsche Schülerin, bei der ihr Leben mehr als nur einmal in größte Gefahr gerät...

Eine spannende, intelligente und überaus reizvolle Geschichte!

[Wer ähnliche Sujets mag, dem sei auch Clifford D. Simaks wunderbarer Roman „Special Delivery“ (dt. als „Poker um die Zukunft“ bei Knaur) empfohlen, vielleicht einer der besten und idyllischsten SF-Unterhaltungsromane des Genres mit vielen märchenhaft schönen Elementen und einer Portion Tragik].