Harry Connolly: Die Pforte der Schatten (Buch)

Harry Connolly
Die Pforte der Schatten
Der strahlende Weg 1
(The Way into Chaos - The Great Way 1, 2014)
Übersetzung: Michaela Link
Blanvalet, 2016, Paperback mit Klappenbroschur, 606 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-7341-6087-5 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

Der amerikanische Autor Harry Connolly wuchs in Philadelphia auf und lebt heute mit Frau und Sohn in Seattle. Die Trilogie „Der strahlende Weg“ ist sein Debüt in der phantastischen Szene, den er mithilfe von Crowdfunding zunächst selbst finanzierte. Ganz offensichtlich war er erfolgreich genug für größere Verlage, so dass nun auch der erste Band „Die Pforte der Schatten“ auf deutsch erscheint.

 

Seit vielen Generationen verdankt das Reich von Peredain seine Macht den Gaben des geheimnisvollen Abendvolks, das alle 23 Jahre durch eine sich nur dann öffnende Pforte im Palast erscheint und einige Tage bleibt. In dieser Zeit überlassen sie dem Herrscherhaus und ihren Günstlingen kostbare Geschenke, zumeist Magie, mit denen die Familie der Italga ihre Macht festigen kann. Denn so einig sind sich die Völker des Imperiums nicht, wie die vielen jungen Leute beweisen, die am Hof leben: Die Kinder der Fürsten und kleineren Herrscher sind mehr oder weniger Geiseln, die für das Wohlverhalten ihrer Eltern herhalten sollen und im Sinne des Königs und der Königin erzogen werden.

Der verwöhnte Prinz Lar nennt viele davon seine Freunde. Er hat eigentlich gar kein Interesse an den Pflichten, die auf ihn zukommen, will viel lieber das tun, was ihm besser gefällt. Doch dann kommt alles anders als man denkt, denn anstelle des Abendvolkes brechen grausame Bestien durch die sie öffnenden Pforten.

Allein mit einer Schar Getreuer gelingt es dem jungen Prinzen zu fliehen, aber nun zeigt sich, dass er auch die Untertanen fürchten muss, von denen jetzt einige ihre Chance sehen, neben Freiheit auch Macht zu erringen. Wem aber kann er jetzt noch trauen?


Der Roman hat einen klassischen Auftakt, wie man ihn vermutlich aus vielen anderen Coming-of-Age-Geschichten kennt: Ein junger Prinz hat ganz und gar keine Lust, der Laufbahn zu folgen und die Aufgaben zu versehen, die ihm seine Eltern vorgeschrieben haben und leistet mehr oder weniger passiv Widerstand dagegen, weil er bisher sehr privilegiert das tun konnte, was er wollte - bis zu dem Moment, in dem sein ganzes Leben auf den Kopf und das sorgsam aufgebaute Weltbild zerstört wird.

Lar muss erfahren, dass er weniger Freunde hat als er denkt, und viele sich nicht scheuen würden, auch den letzten Italga zu erledigen. Er tut war er kann, das zu ändern, aber das Schicksal hat einen anderen weg für ihn vorgesehen.

Und damit wendet sich das Blatt auch schon. In der Geschichte rücken andere Figuren in den Vordergrund, die auch später eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Der eine ist der Höfling und Waffenmeister Tejohn, der viel lieber bei seiner Familie wäre und es hasst, fern von dieser den Dienst versehen zu müssen, die andere eine der jungen Geiseln, Cazia, die immer schon ihren eigenen Kopf hatte.

Der erste Band nutzt die Gelegenheit, die Figuren erst einmal in ihrem gewohnten Umfeld vorzustellen, dann aus der Bahn zu reißen und eine Flucht beginnen zu lassen, die es dem Autor ermöglicht, die weiteren Facetten der Welt auszuarbeiten. Und wie man sich denken kann geraten die Helden vom Regen in die Traufe.

Tatsächlich werden eine ganze Menge Fragen aufgeworfen, bei denen man nicht unbedingt darauf hoffen kann, schon bald eine Antwort zu erhalten. Immerhin schafft es der Autor durch geschickt eingestreute Hinweise, Spannung zu erzeugen und Interesse zu wecken, das Buch endet sogar mit einem bösen Cliffhanger, so dass man neugierig auf die Fortsetzung ist.

Andererseits bläht er die relativ dünne Handlung auch durch sehr viel Geplänkel zwischen den Figuren auf, was wohl dem Ambiente dienen soll. Daher ist gelegentlich schon etwas Geduld gefordert, wenn der Lesefluss ins Stocken gerät.

Alles in allem ist aber „Die Pforte der Schatten“, der erste Band der Trilogie „Der strahlende Weg“, eine solide Fantasy-Geschichte, die zwar nicht das Rad neu erfindet, aber den Leser durch einen interessanten Twist überrascht.