Alexander Drews: Das Geheimnis von Argen - Weltenwacht 1 (Buch)

Alexander Drews
Das Geheimnis von Argen
Weltenwacht 1
Eryn, 2017, Paperback, 230 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-946962-08-3 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Katja Argenstein lebt zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Kendra und Mutter Kora in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, seitdem der Vater die Familie vor mehreren Jahren im Stich gelassen hat. Gerade freut sie sich auf ihren 16. Geburtstag, aber es gibt ein Problem: In die kleine Unterkunft kann sie unmöglich all ihre Freundinnen und Freunde einladen und unbekümmert feiern, doch eine andere Location zu finden, ist schwierig.

Der Zufall kommt ihr zu Hilfe, denn der alte Herr, der das Haus ihrer Eltern gemietet hat, zieht aus, sodass Katja, ihre beste Freundin Rachel und die anderen beschließen, zur Party in das leere Gebäude einzuladen, bevor es an einen Nachmieter vergeben wird. Erneut läuft nicht alles glatt, denn Kora muss bei der Großmutter aushelfen und entlässt Kendra ausgerechnet an diesem Tag in Katjas Verantwortung.

Die Feier ist bereits am Laufen, als plötzlich eine Gruppe Römer auftaucht, was alle für einen großartigen Gag halten, vor allem die Mädchen. Doch auch ein Störenfried erscheint und verschwindet spurlos, genauso wie Kendra. Katja, Rachel und ihre neuen Mitschülerinnen Leandra und Cassia, die etwas schräg drauf sind, stoßen im einstigen Arbeitszimmer von Katjas Vater, das immer für alle tabu war, auf einen alten laufenden Computer - und ein Portal.

Cassia und Leandra geben bloß zögerlich Auskünfte, obschon Katja klar ist, dass die Beiden mehr wissen. Während Leandra zurückbleibt, um den Computer zu beaufsichtigen, schreiten die anderen durch das Portal, um Kendra nach Hause zu holen. Sie gelangen nach Argen, eine Parallelwelt, in der der Kaiser Severus Alexander über das Römische Imperium herrscht. Laut Geschichtsbuch wurde er vor Jahrhunderten ermordet, aber hier ist er ein junger Mann, gegen den einige Soldaten ein tödliches Komplott geschmiedet haben…


Die Hauptfigur Katja Argenstein, aus deren Perspektive die Ereignisse geschildert werden, ist ein zorniges junges Mädchen, das unbedingt tough erscheinen möchte. Sie hat es ihrem Vater immer noch nicht verziehen, dass er das Familienidyll zerstörte, indem er, wie die Mutter behauptet, spontan auf Weltreise ging und sich dann eine andere Gefährtin suchte. Also, ein nicht untypisches Drama, das schon so manche Familie auseinandergerissen hat. Katja will nicht zugeben, wie nah ihr das geht, aber sie kann es nicht immer leugnen.

Sie macht ihren Vater auch dafür verantwortlich, dass die Familie nun knapp bei Kasse ist, in beengten Verhältnissen lebt und es für niemanden einen Rückzugsort gibt. Was für die meisten Mädchen ihres Alters ganz normal ist, nämlich Freundinnen einzuladen und auch mal eine Party zu feiern, geht nicht. Und auch als sich die Lösung für das aktuelle Problem ‚Geburtstagsfeier‘ findet, ergeben sich Komplikationen.

Ist der Roman bis zu diesem Punkt ein ganz normales Teenie-Drama mit den üblichen familiären und schulischen Konflikten, kommen jetzt die phantastischen Elemente hinzu. Man ahnte schon, dass die neuen Mitschülerinnen und der Postbote irgendwie anders sind und die Träume von Katja und Kendra eine Bedeutung haben. Mit dem Erscheinen von Deutsch sprechenden, recht zeitgenössisch agierenden Römern ist der Genre-Wechsel vollzogen.

Von daher sind die Entdeckungen im Arbeitszimmer keine wirkliche Überraschung mehr, da der erfahrende Leser schnell Eins und Eins zusammenzählt. Mit Severus Alexander wird eine historisch belegte Figur eingebunden, der die Geschichte bloß ein kurzes Kapitel widmet: Severus Alexander, 208 bis 235, trat 222 die Nachfolge Elagabals an. Er war bei den Soldaten wenig beliebt und kam in der Germanischen Provinz bei einer Meuterei seiner Truppen ums Leben. Mit ihm endete die Dynastie der Severer.

Diese Fakten haben auf die laufende Handlung nur geringen Einfluss, denn dieser Severus Alexander, der von seinem Verhalten her wenig älter als Katja zu sein scheint (!), ist putzmunter, wenngleich sich die Geschichte wiederholen könnte, denn nicht alle Soldaten sind ihm treu ergeben. Die Verräter outen sich prompt und schaffen dadurch ein weiteres Problem zu dem des Postboten und der Heimkehr aller Weltenreisenden in ihre jeweiligen Heimaten.

Man verrät nicht zu viel, wenn man anmerkt, dass es einige Lösungen gibt, zugleich aber auch neue Fragen aufgeworfen werden, die auf eine Fortsetzung hinweisen. Obwohl Katja, Kendra und Rachel die Existenz von Parallelwelten sehr schnell akzeptieren, fällt es den Schwestern nicht ganz so leicht zu glauben, dass ihr Vater womöglich doch nicht der Schuft ist, für den sie ihn gehalten haben. Sein Verbleib, die Geheimnisse des Postboten und die der Organisation, die über die „Welten wacht“, dürften den Stoff für wenigstens einen weiteren Band liefern.

Der konventionelle Beginn des Buchs liest sich nachvollziehbar und sehr amüsant, so richtig aus dem Leben gegriffen. Allein die Wortwahl von Katja wirkt für ein Mädchen ab und zu etwas zu derb, aber vielleicht gehört das heute zur Coolness (?). Hingegen erscheint die Mobbing-Gang als zu tumb und zu feige charakterisiert, wenn man die Meldungen der diversen Medien als Vergleich hinzuzieht, was an Schulen seit einigen Jahren an schlimmen Dingen passiert (die ‚bösen‘ Römer dito).

Romanzen liegen in der Luft, spielen jedoch eine - hauptsächlich in den Phantasien der Mädchen - untergeordnete Rolle, was sich positiv auf die Handlung auswirkt, weil infolgedessen Drama und Spannung im Vordergrund rangieren.

Der Sprung in die Phantastik wird sorgfältig vorbereitet durch gelegentliche Andeutungen. Nach dem ‚Genre-Wechsel‘ richtet sich die Handlung ganz auf das Konzept der Weltenreisen aus. Es gibt eine gewisse Zahl Eingeweihter, zu der nun Katja, Kendra und Rachel gehören - und die das alles nicht mehr aus ihrem Leben verbannen wollen, verspricht dieses Wissen Neuigkeiten über den Vater, weitere Abenteuer und… wer weiß.

Das Lektorat hat gute Arbeit geleistet, es fallen bloß kleinste logische Fehler auf (wie Katjas Frage, ob sich Kendra an den Sicherungskasten erinnert, was unmöglich ist, da das Mädchen keine zwei Jahre alt war, als das Haus verlassen wurde).

Die Gestaltung des Buchs ist gefällig, die Schrifttype angenehm zu lesen. Das Cover ist passend ausgewählt. Ans Ende des Bandes wurde ein kurzer Lebenslauf von Severus Alexander gestellt, ergänzt mit einer fiktiven Biografie für diesen Titel.

„Das Geheimnis von Argen“ ist ein unterhaltsamer Fantasy-Roman aus der Feder von Alexander (!) Drews für in erster Linie Mädchen zwischen 13 und 16 Jahre, die den Mix aus Phantastik, Familien- und Schuldrama mit einem Hauch Romance schätzen. Die jungen sympathischen Protagonisten können überzeugen - und bewahren noch so manche Geheimnisse für weitere Bücher.