Jeff VanderMeer: Borne (Buch)

Jeff VanderMeer
Borne
(Borne, 2017)
Übersetzung: Michael Kellner
Titelbild: Danijel Zezelj
Kunstmann, Hardcover, 362 Seiten, 22,00 EUR, ISBN 978-3-95614-197-3 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen in einer Welt, wie wir sie uns bestimmt nicht wünschen. Die Erde in einer nicht allzu fernen Zukunft hält für ihre Bewohner so einiges bereit - leider nichts Gutes. Die Natur wurde verwüstet, Biotech-Firmen, die einzig ihre Gewinn-Maximierung im Sinn hatten, Wissenschaftler, die schöpfen wollten, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob sie ihre Schöpfung auch beherrschen würden können, haben dafür gesorgt, dass die Welt, wie wir sie liebten und schätzten, unterging.

In den Ruinen der großen Städte verstecken sich die überlebenden Menschen vor Mutationen, Hybrid-Wesen und Ungeheuern. Nach wie vor aber hat auch der Mensch selbst das Potential, das Größte aller Ungeheuer zu sein. Kinderbanden suchen die Ruinen nach etwas zu Essen oder Kreaturen, die sie quälen können heim, einzig ein wenig im Griff gehalten von einem Bären namens Mord, der die Größe eines mittleren Hochhauses besitzt.

In dieser postapokalyptischen Welt lernen wir drei Figuren kennen.

Rachel hat sich perfekt an die äußeren Umstände angepasst. Sie sucht für sich und ihren Lover Wick nach Essbarem und Biotech-Abfall, erkundet die Ruinen und findet ein neues Spielzeug.

Wick selbst, einst ein angesehener Forscher des Unternehmens, das ihrer Heimatstadt eigentlich Wohlstand und Vollbeschäftigung bringen sollte - so zumindest die vollmundigen Versprechungen - hat in seinem Labor so einige Male Gott gespielt und ist auch weiterhin auf der Suche nach Erkenntnissen - zu welchem Zweck? So ganz nebenbei kocht er aus , was ihm Rachel bringt, psychoaktive Drogen.

Der Magier ist der geheime Herrscher über die Stadt. Er versorgt die Menschen mit Drogen, baut sein Reich mit diesen und Gewalt immer weiter aus.

Und dann gibt es da noch Borne - die Last - ein Wesen, das Rachel im Fell von Mord findet, zu sich nimmt und aufzieht. Dass Borne weit mehr ist als ein Tier ohne Intellekt muss sie bald erkennen, ein Wesen das denken kann, sich entwickelt und vielleicht das fragile Machtgefüge in der Stadt gehörig durcheinander wirbeln kann…


Jeff VanderMeer hat mit der ebenfalls im Kunstmann Verlag erschienen Southern-Reach-Trilogie ein Werk vorgelegt, das Kritiker wie Leser im Sturm erobert hat. Endlich einmal zeigte uns ein Autor etwas Fremdes, das auch bei näherer Betrachtung noch fremd blieb, offerierte uns eine Handlung voller Flair, Mysterien und Spannung. Nun also, dieses Mal sogar im Hardcover, ein neues Beispiel Vandermeer’scher Erzählkunst.

Postapokalyptische Handlungsorte sind gegenwärtig nicht unbedingt Mangelware, ich möchte aber behaupten, dass noch niemand eine derartige Welt so beschrieben hat, wie der in Pennsylvania geborene Autor.

Anders als viele seiner Kollegen sind seine Schöpfungen immer Unikate, die sich von dem Gewohnten markant unterscheiden. Seine Wesen, seien sie im Labor zusammengemixt oder kommen sie aus anderen Welten und Dimensionen, sind kein schwacher Abklatsch bekannter, real existierender Wesen aus der Flora und Fauna sondern Dinge, die ob ihrer Fremdheit verstören und Angst erwecken. Dass sich diese dann noch ganz anders verhalten als wir dies erwarten, dass sie ein anderes Wertesystem ihr Eigen nennen und uns im wahrsten Sinne des Wortes fremd bleiben, macht sie so interessant.

Dazu kommt, dass der Autor uns auch immer einen Spiegel vorhält. Nicht besserwisserisch, nicht mit erhobenen Zeigefinder oder oberlehrerhaft mahnend ist VanderMeer unterwegs, er zeigt fast schon nüchtern als Kulisse auf, was passieren kann, was passieren wird, wenn der Mensch meint sich ohne Grenzen als gottähnlich aufspielen zu müssen. Die Welt, die diesem Sündenfall ihre Existenz verdankt, weist archaische Züge auf, erinnert immer wieder an Alptraum-Szenarien und spricht etwas Urwüchsiges in uns an.

So ist auch vorliegender Roman, ein Unikat voller Untiefen, traumatischer Begegnungen und wirklich Fremden. Auch wenn mich der Roman nicht ganz so in seinen Bann zu ziehen vermochte, wie die gefeierte Southern-Reach-Trilogie erhebt hier ein Autor seine Stimme, der weit über dem sonst üblichem Krieg im Weltall fabuliert und fasziniert.