Wesley Chu: Zeitkurier (Buch)

Wesley Chu
Zeitkurier
(Time Salvager, 2016)
Übersetzung: Jürgen Langowski
Heyne, 2017, Paperback, 494 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-31733-8 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Die Welt in einer fernen Zukunft. Wer allerdings meint, jetzt in eine hochtechnisierte, hochentwickelte Zukunft zu kommen, der sieht sich getäuscht. Statt Wohlstand und Frieden für alle herrscht all überall Not. Die Menschheit hat den Sprung zu den Sternen verpasst, stattdessen ihre Wiege derartig verschmutzt, dass ein Leben fast nicht mehr möglich ist.

Wir schreiben des 26. Jahrhundert. Der Dritte Weltkrieg, der darauf folgende Krieg der KIs und der Niedergang der Konzerne haben dazu geführt, dass die Menschheit langsam aber sicher ausstirbt. Würden nicht mutige Zeitkuriere immer wieder in die Vergangenheit reisen, um dort Energiespeicher, deren Technologie lang verloren ging, zu bergen, wäre der Strom, der allein das Leben auf den Jupiter- und Saturnmonden ermöglicht, längst abgestellt, die Menschheit schlicht verhungert.

James Griffin-Mars ist solch ein Stufe-eins-Chronaut. Eigentlich sollte er mit all seiner Erfahrung es ja besser wissen, als gegen eines der Zeitreise-Gesetze zu verstoßen. Doch dann bringt er aus einer Zeit da die Meere noch blau und der Himmel voller ungiftiger, weißer Wolken war, eine Frau mit in die Zukunft. Eine schlechte, eine ganz, ganz schlechte Idee denn jetzt wird er zum Gejagten - seine Kollegen von ChronoCom, der Revisor Levin und eine Securitate vom Valta-Konzern heften sich auf seine Spuren; seine Chance die nächsten Stunden zu überleben stehen denkbar schlecht - und sinken noch weiter, da er die Frau aus der Vergangenheit nicht aufgeben will…

 

Zeitreise-Romane sind eine diffizile Sache. Zunächst scheint das Thema einfach. Man nehme einen Helden, entsende diesen in die - bekannte und verifizierte - Vergangenheit und lasse diesen dort Abenteuer erleben. Nun, Chu nutzt zwar grundsätzlich das Thema, variiert das gewöhnliche Vorgehen aber doch markant.

Zwar reist auch sein Chronaut in die Vergangenheit, jedoch in eine, in der zum einen die Geschichte ein wenig anders ablief als uns aus dem Geschichtsunterricht bekannt, dazu noch in ein Jahr, das von uns aus gesehen in der Zukunft liegt. Nichts war es also mit historischen Persönlichkeiten - Nero, Cäsar und Co. können beruhigt weiter ruhen - stattdessen zeigt er uns eine Zukunft, in der die Menschheit endlich gemeinsam an einem Strang zieht, Armut, Hunger und Krankheiten ebenso besiegt hat, wie sie sich bemüht, die Umwelt wieder in ein Gleichgewicht zu bringen. Wie es aus dieser Geschichte dann zu der zerstörte Erde, der hungernden Menschheit und der Flucht von der Wiege der Menschen kam ist eine der Fragen, die sich aufdrängen.

In der Jetztzeit des Romans erwartet uns dann ein dystopisches Umfeld, in dem der Autor uns einen kantigen, auf den ersten Blick unsympathischen Protagonisten vorsetzt.

James ist ein Säufer, der sich selbst nicht mag, der daraus folgend auch alle Menschen um ihn herum vehement ablehnt. Ein depressiver, aggressiver Draufgänger, der längst den Glauben an seine Mission, seine Zukunft ja die Menschheit verloren hat. Zynisch blickt er auf die Hierarchie ChronoComs, die scheinbare Allmacht der Konzerne und geht jähzornig seinen Weg. Ein Clint Eastwood der Zeitreise, könnte man zutreffend titeln.

Chu hält sich nicht lang mit irgendwelchen Erklärungen um die Technik auf. Weder die Raumfahrt noch die Zeitreise wird sonderlich erklärt, sondern dient nur dazu, die Welt und ihre Menschen darzustellen. Und diese Darstellung ist ebenso eindrucksvoll, wie beängstigend. Man kann sich gut vorstellen, dass die Zukunft so aussehen, dass die Menschen sich so wie beschrieben verhalten könnte.

Das Ganze endet dann mit einem fiesen Cliffhanger; Fortsetzung folgt, zumindest im US-Original unter dem Titel „Time Siege“.