Andrew Wilson: Agathas Alibi (Buch)

Andrew Wilson
Agathas Alibi
(A Talent for Murder, 2017)
Übersetzung: Michael Mundhenk
Pendo, 2017, Hardcover, 380 Seiten, 20,00 EUR, ISBN, 978-3-86612-422-6 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Es ist eine historisch belegte Tatsache, dass die erfolgreiche Autorin Agatha Christie 1926 für einige Tage spurlos verschwand und schließlich in einem Hotel unter dem Namen der Geliebten ihres Mannes gefunden wurde; ohne Erinnerung an das, was ihr zugestoßen war. Zwei Jahre später wurde das Paar geschieden. Aber niemals konnte aufgeklärt werden, was in jenen zehn Tagen geschah, die Agatha Christie unauffindbar war, ob vielleicht persönliche Motive sie dazu getrieben hatten, vorübergehend unterzutauchen.

 

Andrew Wilson hat aus den Spekulationen seinen ganz eigenen Krimi gestrickt, in dem die Titelheldin traurig und verärgert über die Untreue ihres Mannes ist und dennoch an ihm festhalten möchte, was ein anderer auszunutzen plant, indem er sie zum Mord an seiner eigenen Frau anzustiften versucht, und wenn Agatha nicht gewillt ist zu gehorchen, werden ihre Tochter und andere die Folgen tragen müssen.

Notgedrungen lässt sich die in England bereits recht bekannte Autorin auf den Deal ein. Sie überlegt, die kränkliche Frau durch Gift zu töten, kann sich dann im letzten Moment doch nicht zu der Tat durchringen. Stattdessen schmiedet die beiden ein Komplott und wollen ihrem Gegenspieler eine Falle stellen, um sich seiner zu entledigen.


Agatha Christie, die Hauptfigur, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, erscheint hier als die typische Ehefrau ihrer Zeit, die ihren Mann Archie über alles liebt und sogar bereit ist, ihm eine heftige Affäre mit Nancy Neele zu verzeihen, wenn er nur bei ihr bleibt. Dabei handelt sie tatsächlich aus Liebe und nicht aufgrund materieller Abhängigkeit, denn durch ihre Bücher verdient sie ihr eigenes Geld und ist nicht auf einen (reichen und untreuen) Mann angewiesen.

Genau diesen Umstand nutzt ein gewisser Dr. Patrick Kurs, um sie zu erpressen. Nicht nur will er den Skandal öffentlich machen und damit ihrem Mann schaden, sondern er droht auch, seinen Handlanger auszusenden, der ihren Angehörigen Schlimmstes zufügen würde. Dass er keinerlei Skrupel kennt, erfährt eine Unbeteiligte, die zufällig die Bekanntschaft von Agatha Christie machte, aufgrund ihres Verschwindens zu recherchieren beginnt und Kurs in die Hände fällt.

Um sich, ihre Familie und Kurs‘ Frau zu retten, konstruiert sie eine komplizierte und gefährliche Falle, hoffend, dass ihr Widersacher das Spiel nicht durchschaut und Opfer seiner eigenen Intrigen wird. Bis zu diesem Entschluss wirkt sie schwach, getrieben und hilflos, denn weder kann sie ihre Ehe retten noch sich Kurs vom Hals halten, der ihr ihre Machtlosigkeit immer wieder vor Augen führt. Sie hadert lange mit ihrem Schicksal, bis sie es endlich tatkräftig selbst in die Hand nimmt.

Das Buch ist spannend geschrieben und lebt vor allem von dem Hintergrundwissen des Verfassers, das er in die fiktive Story eingewoben hat. Es ist ein unterhaltsamer Versuch, das Verschwinden der Autorin nach bald hundert Jahren aufklären zu wollen, doch was wirklich geschehen ist, wird wohl für immer ein Mysterium bleiben und weiterhin zur Legenden-Bildung anregen.